IWF sorgt sich wegen KI um die soziale Stabilität
IWF sorgt sich um die soziale Stabilität
Steigende Arbeitslosigkeit durch Einsatz von künstlicher Intelligenz – Höhere Unternehmenssteuern empfohlen
Von Stephan Lorz, Frankfurt
Weil die sozialen Kosten in der Übergangsphase beim Einsatz künstlicher Intelligenz steigen, Löhne tendenziell sinken und Kapitaleinkommen zulegen, fordert der Internationale Währungsfonds eine Neuordnung des Steuersystems, einen Ausbau der Sozialsysteme und zielgerichtete Weiterbildung.
Die Werkzeuge für künstliche Intelligenz (KI) werden immer mächtiger und halten nach Ansicht des Internationalen Währungsfonds (IWF) viel schneller in den Unternehmen Einzug als bei früheren Technologie- und Automatisierungswellen von der Dampfkraft bis in zur Automatisierung mit Robotern. Zudem sei die strukturverändernde Kraft viel größer als bisher angenommen. Für entsprechend drastisch hält der IWF auch die Auswirkungen von KI auf den Arbeitsmarkt und die gesellschaftliche Stabilität vor allem der Industrieländer. Gesellschaftliche Konflikte könnten sich in der Übergangsphase zuspitzen, warnt er. Denn bevor sich die Wirtschaft auf neue Rahmenbedingungen eingestellt hat, sind der IWF-Studie aus dem Fiscal Affairs Department zufolge große Entlassungswellen zu erwarten.
Disruptive Zuspitzung
Gegenüber bisherigen Annahmen über die Arbeitsmarktwirkungen von KI muss der Fokus nach Ansicht des IWF ferner ausgeweitet werden: Hielten Ökonomen zunächst vor allem Bürojobs sowie intellektuelle und künstlerische Tätigkeiten für gefährdet durch KI, richtet sich der Blick nun doch wieder auf die Masse von einfachen industriellen Tätigkeiten. Denn mit dem verstärkten KI-Einsatz in Robotern, Maschinen und Fabriken schwappt nun eine neue Automatisierungswelle an die Werkbänke. Bisherige Handarbeit und die Bedienung von Maschinen kann von KI-Assistenzsystemen übernommen und damit in weiteren industriellen Sektoren menschliche Arbeitskraft wegrationalisiert werden.
Aktive Arbeitsmarktpolitik nötig
In der Studie des IWF sprechen sich die Ökonomen deshalb für einen Ausbau der aktiven Arbeitsmarktpolitik aus. Es müsse mehr denn je auf Weiterbildung und Unterstützung für einen Berufswechsel gesetzt werden. Zugleich müsse die Arbeitslosenversicherung ausgebaut werden. Der Entlassungsschock für die betroffenen Menschen müsse abgefedert und Zeit für eine Umorientierung erkauft werden. IWF-Ökonom Ruud de Mooij warnt im Pressegespräch insgesamt vor „Wohlstandsverlusten breiter Bevölkerungskreise“ und vor einer „disruptiven gesellschaftlichen Zuspitzung“.
Mehr Steuern auf Kapital
Angesichts dieser Herausforderung halten es die Ökonomen auch für erforderlich, das Steuersystem umzubauen und die Sätze anzupassen. Die Belastung für den Faktor Arbeit müsse gesenkt werden, damit die Marktkräfte nicht nur das Automatisierungspotenzial ausreizten, sondern vermehrt neue Produkte in den Fokus nähmen, heißt es. Für Unternehmen müsse es sich zudem lohnen, neue Jobs in neuen Arbeitsfeldern zu schaffen.
Im Gegenzug müssten die Steuern für Kapitaleinkommen wohl angehoben und die Steuerbemessungsgrundlage erweitert werden, fordert IWF-Ökonomin Era Dabla-Norris. Dabei müsse darauf geachtet werden, so Dabla-Norris, dass „automatisierungsfreundliche Bestimmungen“ herausgenommen würden. Es sei also viel „Feinarbeit“ am Steuersystem notwendig, um es „jobfreundlicher“ zu gestalten.
In der Vergangenheit ist die Steuerlast auf Kapital immer weiter zurückgegangen, während die Besteuerung von Löhnen zugelegt hat. Das begünstigt nach Ansicht des IWF Investitionen in Maschinen und anderen Kapitalgütern gegenüber menschlicher Arbeitskraft. Auch andere steuerliche Förderinstrumente müssen Dabla-Norris zufolge diesbezüglich neu ausgerichtet werden.
Globale Mindestbesteuerung
Eine stärkere Kapitalbesteuerung ist nach Ansicht des IWF schon deshalb erforderlich, weil durch KI die Unternehmenseinkommen noch in viel stärkerem Maße ansteigen würden als in der Vergangenheit, weil der Faktor Kapital eine immer größere Rolle in der Wertschöpfung spiele. Das würde auch zu einer größeren Ungleichheit in den Gesellschaften führen. Gleichzeitig sorge KI dafür, dass sich die Oligopolisierung von Märkten verstärke. Denn die hohen KI-Investitionen könnten sich immer weniger Unternehmen leisten – oder hätten sich bereits eine starke Position im Markt erobert, die sie jetzt ausbauen würden.
Die bereits im Gang befindlichen internationalen Anstrengungen zur Einführung einer globalen Mindestbesteuerung in Höhe von 15% hält der IWF in diesem Zusammenhang für einen ersten richtigen Schritt, um globale Konzerne stärker in die Verantwortung für die gesellschaftliche Entwicklung einzubeziehen. Diesen Weg sollte die internationale Gemeinschaft weiter gehen.
Absage an KI-Steuer
Die Idee einer reinen Maschinen- oder Robotersteuer hält der IWF indes für abwegig. Sie ist zum einen rein praktisch nicht von anderen Besteuerungsobjekten klar zu trennen, zum anderen werde dadurch die Innovationskraft insgesamt gebremst, was insgesamt wiederum wettbewerblich nachteilige Folgen hätte. Allerdings sollte nach Ansicht des IWF beim Umbau des Steuersystems eine andere Steuer mehr in den Fokus rücken: die Konsumsteuern. Sie könnten angehoben werden, um mögliche Steuermindereinnahmen im Zuge des Steuerumbaus abzufedern, meinte IWF-Ökonom de Mooij.