STREIT ÜBERS BARGELD

Japaner lieben Bargeld über alles

Bei Geldkarten liegt das Land aber an der Spitze

Japaner lieben Bargeld über alles

Von Martin Fritz, TokioBei der Einführung von Negativzinsen am vergangenen Dienstag hat die Bank of Japan eine Flucht in mehr Bargeld geschickt verhindert. Falls die Geschäftsbanken ihre Reserveeinlagen abschmelzen und in Bargeld umwandeln, um dem Strafzins zu entkommen, werden ihre Guthaben, die mit 0 % oder 0,1 % verzinst werden, um den gleichen Betrag verringert. Auf zusätzliches Bargeld würde die Geschäftsbank also ebenfalls den Negativzins zahlen. Doch an der großen Popularität von Bargeld in Japan wird der Negativzins dennoch nichts ändern.Die im Umlauf befindlichen Banknoten haben einen Wert von 94,4 Bill. Yen (rund 755 Mrd. Euro). Das entspricht 18 % der realen Wirtschaftsleistung und ist mit Abstand das höchste Verhältnis von allen Industriestaaten. Pro Japaner gibt es 738 000 Yen (5 900 Euro) an Banknoten. Die wertvollste Banknote ist der 10 000-Yen-Schein (80 Euro). Nach Daten von Mastercard wurden im Jahr 2013 noch 38 % aller Transaktionen von Privatkunden in bar abgewickelt. Das waren gerade einmal 7 Prozentpunkte weniger als im viel weniger entwickelten China. Misstrauen gegen BankenViele Japaner verwahren Ersparnisse in bar zu Hause im Geheimfach von Schränken, im Futon oder unter dem Tatami: Seit der Bankenkrise in den neunziger Jahren misstraut man Geldinstituten. Zudem bringt das Geld auf dem Sparbuch seit 20 Jahren so gut wie nichts ein. Die Vorliebe für Bares ist auch so groß, weil die Zahl der Einbrüche und Raubüberfälle niedrig ist. Da überrascht es wenig, dass über die Abschaffung von Bargeld nicht diskutiert wird. Startschuss bei der BahnAllerdings ist die Inselnation auch beim bargeldlosen Bezahlen mit Geldkarten viel weiter als viele andere Länder. Praktisch jeder Japaner besitzt inzwischen solche Karten, die sich am Automaten in wenigen Sekunden erwerben und mit bis zu 20 000 Yen (160 Euro) aufladen lassen. Die ersten Karten wurden von Bahngesellschaften ab 2001 zum berührungslosen Bezahlen an den Bahnhofssperren eingeführt. Danach folgten die Mini-Supermarktketten und auch die Banken. Die Karten enthalten die FeliCa-Prozessoren von Sony. Diese Chips passen auch in normale Mobiltelefone und Android-Smartphones und lassen sich, wenn die Geldmenge unter einen bestimmten Wert sinkt, automatisch oder manuell über eine Kreditkarte aufladen. Daher ist das mobile Bezahlen in Japan weit verbreitet. Nur das iPhone von Apple erlaubt die Chip-Integration nicht.In Zehntausenden von Geschäften und Verkaufsautomaten kann man inzwischen mit den Geldkarten bezahlen. Das ist auch wegen der krummen Beträge – die Mehrwertsteuer wird meist erst an der Kasse berechnet – sehr beliebt. Dabei wird eine Vielzahl von Kartenanbietern akzeptiert. Für das Volumen der Transaktionen gibt es keine belastbaren Schätzungen. Da es sich meist um kleine Summen handelt, dürfte sich der Anteil im niedrigen einstelligen Bereich bewegen. Sony hat bisher 890 Millionen FeliCa-Chips produziert.