Japans Geldpolitik am Wendepunkt

Spekulationen über mögliche Modifizierungen - Notenbank tagt zu Wochenbeginn

Japans Geldpolitik am Wendepunkt

Trotz extremem Quantitative Easing (QE) bleibt Japans Teuerungsrate niedrig. Deswegen spekuliert der Finanzmarkt nun auf eine Korrektur der Geldpolitik der Bank of Japan. In dieser Erwartung hat die Rendite der 10-jährigen Staatsanleihen vor der Sitzung der Währungshüter am 30. und 31. Juli deutlich angezogen.Von Martin Fritz, Tokio Keine andere große Zentralbank agiert in ihrer Geldpolitik so aggressiv wie die Bank of Japan (BoJ). Als Rechtfertigung dient Gouverneur Haruhiko Kuroda die milde Deflation, die Japan seit Ende der neunziger Jahre plagt. Ohne Deflation wachse die Wirtschaft stärker, lautet die offizielle Begründung. Ein ungenanntes Motiv ist, dass die Schuldenquote relativ zur Wirtschaftsleistung durch Inflation ebenfalls zurückginge.Doch nach mehr als fünf Jahren extremer Wertpapierkäufe liegt die Teuerung in Japan immer noch weit von dem Ziel 2 % entfernt. Zwar stieg die Preisrate (ohne frische Lebensmittel) im Juni um 0,1 Punkte zum Vormonat auf 0,8 %. Aber das lag größtenteils an höheren Energiepreisen. Rechnet man diesen Kostenfaktor heraus, bleiben nur magere +0,2 % Inflation. Ohne alle Nahrungsmittel und Energie fiel die Rate erstmals seit Oktober sogar auf 0,0 %. Die Hoffnung der Notenbank auf eine Preiswende ruht nun auf der Knappheit am Arbeitsmarkt. Auf 100 Jobsucher kamen zuletzt 150 Stellenangebote. Nach dem Gesetz von Angebot und Nachfrage müssten die Löhne steigen. In der Tat zeichnet sich eine Wende ab: Im Juni zogen die Barlöhne um 2,1 % und die Grundlöhne (ohne Alterszulagen) um 1,3 % an. Doch die Einkommen müssen um 2,5 % jährlich wachsen, um 2 % Inflation hervorzurufen. Beides gab es seit Jahrzehnten nicht. Renditen steigenDie beiden wichtigsten Pfeiler von Japans Geldpolitik sind ein Negativzinssatz von 0,1 % für Tier-3-Einlagen der Geschäftsbanken und eine Fixierung der Rendite der 10-jährigen Staatsanleihe auf 0,0 %. Am Montag sprang diese Rendite wegen der schwachen Inflationsdaten unerwartet auf 0,087 %. Die Notenbank beruhigte den Finanzmarkt, indem sie unbegrenzte Anleihekäufe anbot, falls die Rendite über 0,11 % stiege. Doch es kam zu keiner einzigen Transaktion. Am Freitag kletterte die Rendite jedoch auf 0,112 %. Offenbar spekulieren einige Anleger auf einen geldpolitischen Kurswechsel bei der Sitzung der Notenbank am Montag und Dienstag in der japanischen Hauptstadt. Denn die Inflationsrate für den Großraum Tokio im Juli, die als Vorläufer gilt, bestätigte den Preistrend. Sie stieg nur leicht auf 0,8 % (+0,1) und ohne frische Lebensmittel und Energie auf 0,4 % (+0,1). Die Mehrheit der Analysten rechnet für 2019 nicht mit mehr als 1 % Teuerung.Die jüngsten Daten haben den Konsens am Finanzmarkt, dass die BoJ erst 2019 an ihrer Geldpolitik schraubt, ins Wanken gebracht. Nun gehen mehr Analysten davon aus, dass die BoJ eher als erwartet beschließen könnte, ihre Geldpolitik erneut auf den Prüfstand zu stellen. Das letzte Mal geschah dies im Sommer 2016. Danach schwenkten die Notenbanker vom Leitzins als Hauptinstrument ihrer Geldpolitik zur Zinskurve. In der Folge sanken die Staatsanleihekäufe in den zwölf Monaten bis Juli 2018 gegenüber der Jahresvorgabe von 80 Bill. Yen um die Hälfte. Sollte die BoJ-Spitze am Dienstag eine Prüfung anordnen, könnte Kuroda schon im Herbst handeln. Allerdings steht im September die Wiederwahl von Shinzo Abe zum Vorsitzenden der Regierungspartei LDP an, so dass ein Kurswechsel erst im Oktober möglich erscheint. Analysten nennen drei Handlungsoptionen: Eine Erhöhung des Renditeziels für 10-jährige Staatsanleihen; ein Fokuswechsel von der Rendite für 10- auf 5-jährige Anleihen sowie eine offizielle Volumenkürzung der Anleihekäufe. Allerdings gibt es auch Stimmen für eine Lockerung, weil der Konjunkturzyklus bald auslaufen könnte und die Regierung die Mehrwertsteuer im Oktober 2019 wie geplant auf 10 % anheben will. Dazu passt der Verzicht der Zentralbank darauf, weiter einen Zeitpunkt für das Erreichen ihres Inflationsziels zu nennen. Auch dies deutet eher darauf hin, dass die BoJ ihre Geldpolitik “nachhaltiger” machen will, als dass sie wirklich ein baldiges Tapering in Erwägung zieht.