DER BREXIT-COUNTDOWN BEGINNT

Je härter der Brexit, desto weicher das Pfund

EU-Austrittsantrag lässt Märkte bislang kalt

Je härter der Brexit, desto weicher das Pfund

Von Stefan Schaaf, FrankfurtDas Pfund ist der wichtigste Stoßdämpfer für die ökonomischen Konsequenzen des britischen EU-Austritts. Schon direkt nach dem von den Finanzmärkten nicht eingepreisten Votum der Briten für den Brexit vom 23. Juni 2016 ging Sterling auf Talfahrt. Dieser Trend dürfte sich fortsetzen, je größer die Aussichten für einen “harten Brexit” werden – eine Situation, in der die britische Wirtschaft den Zugang zu dem für sie wichtigen EU-Binnenmarkt verliert. Größtes Problem der britischen Währung ist das Leistungsbilanzdefizit des Vereinigten Königreichs.Die für heute erwartete offizielle britische Austrittserklärung beunruhigt Marktteilnehmer kaum. In den vergangenen Tagen erholte sich das Pfund insbesondere gegenüber dem Dollar wieder etwas, was allerdings auch einer Schwäche der US-Währung wegen nachlassender US-Zinserwartungen geschuldet war. “Warum sollte der Markt auch reagieren?”, sagte Anlagestratege Kit Juckes von der Société Générale. “Auf den ersten 100 Metern eines Marathons passiert nicht viel.”Gestern kostete Sterling um 1,2520 Dollar, nachdem der Kurs am 7. Oktober 2016 bei einem Flash Crash auf 1,1450 Dollar gesackt war. Zum Euro handelte die britische Währung gestern mit 86,80 Pence. Commerzbank-Analystin Thu Lan Nguyen beurteilte die aktuelle Erholung des Wechselkurses skeptisch. Viele Marktteilnehmer unterschätzten offenbar, wie kompliziert die Verhandlungen würden.Viele Experten erwarten schon bald einen weiteren Kursrückgang. Der Reuters-Konsens lautet für den auch “Cable” genannten Pfund-Dollar-Kurs mit Sicht von sechs Monaten auf 1,20 Dollar und für zwölf Monate auf 1,21 Dollar. Unter den 65 Befragten liegt die Spanne zwischen 1,05 Dollar (BayernLB) und 1,35 Dollar (Investec). Zu den Sterling-Skeptikern zählt auch die Deutsche Bank, die einen Kurs von 1,06 Dollar zum Jahresende erwartet. Der Euro könnte sich dann sogar erstmals seit Ende 2008 wieder der Parität mit Sterling annähern – falls es keine Verwerfungen im Euro-Dollar-Kurs gebe. “Wir sehen nicht, dass Sterling das Ergebnis eines harten Brexit vollständig eingepreist hat”, heißt es in einer dieser Tage veröffentlichten umfangreichen Brexit-Studie der Deutschen Bank. “In Verbindung mit der begrenzten Anpassung des Leistungsbilanzdefizits und abschwächendem Wachstum sehen wir eine weitere Abschwächung.”Großbritannien hat ein Leistungsbilanzdefizit von rund 5 % seiner Wirtschaftsleistung (Stand: September 2016). Es ist folglich zur Finanzierung seines gesamtwirtschaftlichen Verbrauchs auf Kapitalzuflüsse angewiesen. Sollten diese etwa infolge des Ausstiegs aus dem Binnenmarkt abreißen, müsste das Pfund weiter abwerten – oder Großbritannien würde wie Griechenland in eine Anpassungsrezession schlittern.