Jens Spahn bürstet gegen den Strich
Von Angela Wefers, BerlinEs lebe der Unterschied. In Zeiten von Populismus und Polarisierung wird der Wahlkampf 2017 anders als zu früheren Bundestagswahlen. Es geht um Unterscheidbarkeit und ein klares Profil. Davon ist der CDU-Politiker Jens Spahn (36) überzeugt. Spahn ist seit Juli 2015 parlamentarischer Staatssekretär bei Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Er folgte auf Steffen Kampeter, der in der laufenden Legislaturperiode als Hauptgeschäftsführer zum Arbeitgeberspitzenverband BDA gewechselt war. Spahn hatte bis dahin kein finanzpolitisches Profil. Er war Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag für Gesundheitspolitik – ein in der Öffentlichkeit schwer zur vermittelndes Feld. Mit seinem Talent, komplexe Themen auf den Punkt zu bringen, erlangte Spahn aber auch dort schon einen erheblichen Bekanntheitsgrad.Unterscheidbarkeit verknüpft mit Aufmüpfigkeit ist auch das persönliche Erfolgsrezept von Spahn. Sein nach außen getragenes Profil: konservativ, katholisch und bekennend schwul. Der groß gewachsene, elegante CDU-Politiker ist schlagfertig und witzig. Er braucht kein Manuskript, um etwa bei der Konferenz über Sparkassen und Landesbanken seine Zuhörer zu fesseln.Seit er für Schäuble als parlamentarischer Staatssekretär die Brücke zum Bundestag schlägt, bürstet er auch finanzpolitisch gegen den Strich: etwa mit dem Plädoyer, die Sozialversicherungen müssten in Zeiten niedriger Zinsen stärker in Aktien anlegen. Er kümmert sich um neue Themen wie die Förderung von Fintechs. Die Fusion der Deutschen Börse und der London Stock Exchange sieht er als Chance für den Kapitalmarktstandort Europa. Von Frankfurt wünscht er sich mehr von der Londoner Pfiffigkeit und Offenheit.Seinen Coup landete Spahn beim Bundesparteitag 2014, als er entgegen parteiinternen Absprachen für das CDU-Präsidium kandidierte – und das erfolgreich. Den Kürzeren zog dabei Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU). Spätestens seitdem gilt Spahn als Shootingstar seiner Partei, der sich etwas traut. Auch beim diesjährigen Parteitag der CDU in Essen traute er sich. Er stimmte mit der Mehrheit und gegen den Willen seiner Parteivorsitzenden Angela Merkel für die Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft. Dass ein Parteitagsbeschluss nicht gegen den Willen des Koalitionspartners SPD durchsetzbar ist und auch in einer möglichen neuen Koalition 2017 Abstriche verlangt, nimmt der wendige Spahn dabei in Kauf. Über die Finanzpolitik hinaus äußert sich Spahn, der bei der früheren WestLB in Münster eine Banklehre machte und dann bei der Immobilientochter des Instituts arbeitete, zu vielen Themen. Die Flüchtlingspolitik kritisiert er schon seit Monaten. Rechtliche Hürden für die Abschiebung will er abgebaut wissen, denn es könne nicht sein, dass Ausreisepflichtige auf der Basis steuerfinanzierter Sozialleistungen im Land blieben. Noch Luft nach obenJung zu sein stand Spahn noch nie im Weg. Mit 17 Jahren trat er in die CDU ein und wurde kommunalpolitisch aktiv. Mit 22 zog er in den Bundestag ein. Seinen Wahlkreis Steinfurt I-Borken im Westmünsterland hat er schon mehrfach direkt gewonnen – ein gutes Ergebnis. Bei der Wiederwahl in das CDU-Präsidium bleibt allerdings noch Luft nach oben. Von den 14 gewählten Vertretern – drei weitere gehören dem Gremium per Satzung an – erzielte Spahn mit 70,48 % das zweitschlechteste Ergebnis hauchdünn vor der Berliner Landesvorsitzenden und Staatsministerin für Kultur und Medien im Kanzleramt, Monika Grütters, die neu ins Präsidium einzog. Spahns Karrierepläne reichen aber weiter. Kolportiert wird, dass er in der Abiturzeitung “Bundeskanzler” als Berufswunsch eingetragen hat. Das kann ja noch werden.