Johnson fordert auf zum Blick nach vorn
hip London – Der britische Premierminister Boris Johnson hat die Bevölkerung des Vereinigten Königreichs am Freitagabend dazu aufgefordert, nach vorn zu blicken. Das ist “kein Ende, sondern ein Anfang”, sagte er vorab verbreiteten Teilen seiner Rede zufolge, die für 23:00 Uhr Ortszeit angesetzt war – den Zeitpunkt, zu dem der Austritt des Landes aus der Europäischen Union rechtswirksam wurde. “Das ist der Moment, wenn die Morgendämmerung anbricht und sich der Vorhang zum nächsten Akt öffnet”, sagte Johnson. “Es ist ein Moment echter nationaler Erneuerung und Veränderung.”Am Vormittag war bereits das Kabinett im nordenglischen Sunderland zu einer Sondersitzung zusammengetreten. Die Stadt hatte mit großer Mehrheit für den Brexit gestimmt. Es war eines der ersten Abstimmungsergebnisse, die 2016 veröffentlicht wurden.Während der elfmonatigen Übergangsphase, die sich nun anschließt, soll sich nicht viel an den bestehenden Verhältnissen ändern, damit Zeit für Verhandlungen über die künftigen Beziehungen bleibt. Wie der “Telegraph” berichtet, wollen Deutschland, Österreich und Slowenien jedoch schon während der Übergangsphase keine Staatsbürger mehr an Großbritannien ausliefern. Tatsächlich wird das Vereinigte Königreich um 23:00 Uhr zum Drittland. Alle drei Nationen hätten Gesetze, die eine Auslieferung ihrer Bürger an Nicht-EU-Staaten untersagten. Der Austrittsvereinbarung zufolge könne sich Großbritannien reziprok weigern, britische Bürger in diese drei Länder auszuweisen.Der irische Premierminister Leo Varadkar, der sich mitten im Wahlkampf befindet, kündigte an, bei den anstehenden Verhandlungen über das künftige Verhältnis einen harten Kurs fahren zu wollen.Nicola Sturgeon, die Führerin der schottischen Nationalisten, warf Johnson vor, den Ausgang eines weiteren Unabhängigkeitsreferendums zu fürchten. Dass er es untersage, sei “ein Zeichen der Schwäche”. Möglichkeiten, ein Referendum gegen den Willen der Zentralregierung durchzusetzen, hat sie nicht. An einem illegalen Referendum wie in Katalonien ist ihr nicht gelegen.Tags zuvor hatte eine Umfrage des Marktforschers Yougov eine Mehrheit von 51 % für einen Austritt Schottlands aus der Union ergeben. Sie setze sich weiterhin für eine Volksabstimmung noch in diesem Jahr ein, sagte Sturgeon in Edinburgh. Es gebe allerdings “keine Abkürzung” auf dem Weg dorthin.Der Brexit sei für Schottland ein Moment “echter und tiefer Trauer”. Immerhin hatten dort 62 % für den Verbleib in der EU gestimmt. Veränderte BegleitumständeAllerdings ändern sich durch den britischen Austritt die Begleitumstände eines nationalen Alleingangs der Schotten. Hätte sich die Region 2014 für die Unabhängigkeit entschieden, wäre keine harte Grenze zu Restbritannien erforderlich geworden, das für Schottland ein wesentlich wichtigerer Markt ist als die übrigen EU-Mitgliedsländer zusammen. Schließlich wollten die Nationalisten, dass Alba auch weiterhin dem Handelsblock angehören sollte. Träte Schottland nun aus dem Vereinigten Königreich aus, um wieder in die EU einzutreten, wäre die Grenze zwischen den beiden Nationen zugleich die EU-Außengrenze.