Johnson stößt auf Widerstand

Tory-Hinterbänkler revoltieren - Unionisten stellen sich hinter das umstrittene Binnenmarktgesetz

Johnson stößt auf Widerstand

Premierminister Boris Johnson hat das umstrittene Binnenmarktgesetz verteidigt, das die territoriale Integrität des Vereinigten Königreichs sicherstellen soll, falls es zu keiner Einigung mit der EU auf ein Freihandelsabkommen kommt. Abgeordnete seiner Partei sehen eine Gefahr für die Rechtsstaatlichkeit.hip London – Der britische Premierminister Boris Johnson hat das umstrittene Binnenmarktgesetz (Internal Market Bill) zu Beginn der zweiten Lesung im Unterhaus verteidigt. Der ehemalige Generalstaatsanwalt Geoffrey Cox hatte sich zuvor in einem Gastbeitrag für die “Times” gegen das Vorgehen der Regierung ausgesprochen , weil er “unerhörten” Schaden für die Reputation des Landes befürchtet. Das Gesetz ermöglicht die Verletzung von Klauseln der EU-Austrittsvereinbarung und damit einen Verstoß gegen internationales Recht, um die territoriale Integrität des Landes zu wahren. Manche Tory-Abgeordnete sehen darob die Rechtsstaatlichkeit in Gefahr. Tatsächlich lässt sich das Nordirland-Protokoll der Austrittsvereinbarung unterschiedlich auslegen. Um einen Deal zu erzielen, hatte man die Klärung umstrittener Fragen bei der Unterzeichnung einem dafür einzurichtenden gemeinsamen Ausschuss überlassen.Nun will Johnson Fakten schaffen. Man müsse das Land vor der “erwiesenen Bereitschaft der EU schützen, dieses delikat ausgewogene Protokoll auf eine Weise zu nutzen, für die es nie gedacht war”, sagte er. Für den Umgang mit Abweichlern halte man sich alle Optionen offen, hieß es aus der Downing Street. Rehman Chishti, der Sonderbotschafter des Premierministers für Religionsfreiheit, legte sein Amt bereits vorsorglich nieder. Er könne das Gesetz aus prinzipiellen Gründen nicht mittragen, erklärte er in seinem Rücktrittsschreiben. Ihm könnten weitere Abgeordnete folgen.Oppositionsführer Keir Starmer konnte an der Debatte nicht teilnehmen, nachdem bei einem Mitglied seines Haushalts Covid-19-Symptome aufgetreten waren.Die Intervention von mittlerweile fünf Amtsvorgängern Johnsons – John Major, Tony Blair, Gordon Brown, David Cameron und Theresa May – gegen das Gesetz könnte dem ehemaligen Londoner Bürgermeister aus Sicht von Beobachtern eher nutzen, denn durch sie lässt sich der Streit als Auseinandersetzung zwischen EU-Austrittsgegnern und -Befürwortern deuten.Zumindest die nordirischen Unionisten von der DUP (Democratic Unionist Party), die im Oktober vergangenen Jahres gegen die Austrittsvereinbarung gestimmt hatten, hat Johnson auf seiner Seite. Der DUP-Abgeordnete Sammy Wilson nannte die Behauptungen von Blair und Major “völligen Unsinn ohne jede faktische Grundlage”. Sie müssten erklären, warum es das Karfreitagsabkommen verletze, wenn es Nordirland leichter gemacht werde, mit seinem größten Markt Geschäfte zu machen. Das Binnenmarktgesetz sei “ein wesentlicher Schritt voran” für die nordirische Wirtschaft, sagte Wilson. “Die EU muss aufhören, Nordirland zu benutzen, um ihren Willen durchzusetzen”, sagte die DUP-Führerin Arlene Foster im nordirischen Regionalparlament.Zollkontrollen innerhalb der Grenzen von Großbritannien sind aus Sicht der Unionisten nicht akzeptabel. Die Austrittsvereinbarung sieht vor, dass auf der für Nordirland wichtigsten Handelsverbindung – der zu Restbritannien – unabhängig vom Bestimmungsort Zollkontrollen stattfinden sollen. Autobranche fürchtet ZölleUnterdessen mehren sich die Stimmen aus der Wirtschaft, die vor einem “No Deal” warnen. Der Autoverband SMMT bezifferte die möglichen Kosten für die Branche bis 2025 auf 110 Mrd. Euro. Ein WTO-Zoll in Höhe von 10 % könnte die Nachfrage nach Pkw und Lieferwagen um drei Millionen Fahrzeuge sinken lassen, heißt es in einer Studie der Lobby. Für die britischen Werke wird in diesem Fall ein Verlust von 52,8 Mrd. Euro erwartet, für die europäischen Werke ein Verlust von 57,7 Mrd. Euro. Natürlich wären auch die Zulieferer der Branche betroffen. Die Produktionsausfälle durch die Pandemie bezifferte der Verband auf 100 Mrd. Euro. – Kommentar Seite 1