Johnson unterliegt abermals

Britischer Premier droht Parlament mit Rückzug des Deals - Neue UK Taskforce in der EU-Kommission

Johnson unterliegt abermals

Der britische Premier Boris Johnson will auf Biegen und Brechen den mit der EU ausgehandelten Brexit-Deal durch das Parlament peitschen. Doch eine Mehrheit des Parlaments lehnte seinen Zeitplan ab. Für diesen Fall hat Johnson den Abgeordneten offen damit gedroht, Neuwahlen anzustoßen.bet/ahe London/Brüssel – Premierminister Boris Johnson ist am Dienstag mit dem Versuch gescheitert , mit der Peitsche sein EU-Austrittsabkommen durch das britische Unterhaus zu treiben. Er forderte die Abgeordneten auf, eine außergewöhnlich schnelle Verabschiedung des Brexit-Gesetzes zu unterstützen. Diese lehnten das aber mit Mehrheit ab. Für diesen Fall hatte der Regierungschef in der Debatte damit gedroht, Neuwahlen voranzutreiben. Johnson hat es sich zum Ziel gesetzt, den Brexit auf jeden Fall am 31. Oktober zu vollziehen. Einen Aufschub des Austritts, sei es auch nur um wenige Wochen, um das Gesetz in normalem Tempo durch das Parlament zu bekommen, will er vermeiden. Für Johnson wäre auch ein kurzer Aufschub beschämend, weil er sehr offensiv mit dem Austritt Ende Oktober geworben hat. Nicht ohne Ironie”Was um alles in der Welt wird die Öffentlichkeit denken, wenn sich das Parlament gegen den Brexit entscheidet?”, fragte Johnson. Es ist allerdings nicht ohne Ironie, dass der von Johnson mit Brüssel ausgehandelte Vertragsentwurf durchaus Chancen hat, das Unterhaus zu passieren – aber sie werden gemindert durch die hohe Geschwindigkeit, die Johnson dem Parlament auferlegen will: Den gestrigen Dienstag eingeschlossen möchte die Regierung nur drei Tage für die Verhandlung ansetzen. Das ist wenig für ein Papier von 115 Seiten, das die Geschicke des Landes auf Jahrzehnte zu formen vermag.Tatsächlich wäre dieses Gesetz, das den EU-Austritt in britisches Recht überträgt, nach dem Plan der Regierung kürzer im Parlament, als es ein Gesetz zur Behandlung von Wildtieren in Zirkussen war. Der Vertrag von Maastricht, durch den die EU aus den Europäischen Gemeinschaften hervorging, wurde 1992 immerhin 23 Tage lang verhandelt. Die sehr kurze Zeit, in der die Abgeordneten die Unterschiede zwischen dem im Frühjahr gescheiterten Entwurf von Premierministerin Theresa May und dem neuen Entwurf von Johnson erkennen und analysieren sollen, wird von Experten als kaum ausreichend bezeichnet.Labour-Chef Jeremy Corbyn beschrieb das Gesetz als eine “Charta der Deregulierung”. Labour stört, dass Zusagen zur Aufrechterhaltung von Arbeitsrechten und zum Umweltschutz bei Johnsons EU-Abkommen nicht mehr in dem rechtlich verbindlichen Scheidungsvertrag enthalten sind, sondern in einer unverbindlichen Absichtserklärung über das künftige Verhältnis zur EU. Oppositionsvertreter befürchten, London werde die Regulierungen senken, um dem Land Standortvorteile zu verschaffen. Johnson bemühte sich in der Parlamentsdebatte, eine Deregulierung auszuschließen: “Nichts in diesem Gesetz untergräbt das Arbeitsrecht und den Umweltschutz”, erklärte er. Labour fehlt das VertrauenDoch vielen Labour-Abgeordneten fehlt das Vertrauen in den Premierminister, seine Zusagen einzuhalten. Hinzu kommt die Furcht vor den Nachteilen des von London angestrebten Freihandelsabkommens mit der EU. Dass sich die Regierung weigert, eine Einschätzung der wirtschaftlichen Folgen zu veröffentlichen, trägt zur Skepsis bei. Labour bevorzugt einen Verbleib in der EU-Zollunion. Umstritten sind die Hürden beim Warenaustausch zwischen Nordirland und Großbritannien, die Teil der neuen Lösung zur Vermeidung von Grenzkontrollen auf der irischen Insel sind. Sie hält selbst für den Handel innerhalb des Königreiches Ausfuhrerklärungen oder sogar (erstattbare) Zölle für nötig.In Brüssel hat die EU-Kommission unterdessen eine neue Taskforce ins Leben gerufen, die künftig die Beziehungen zu Großbritannien steuern soll. Die neue Einheit soll die gesamte Arbeit der Europäischen Kommission in allen strategischen, operativen, rechtlichen und finanziellen Brexit-Fragen koordinieren. Sie wird für den Abschluss der Austrittsverhandlungen sowie für die Verhandlungen über die künftigen Beziehungen mit dem Vereinigten Königreich zuständig sein. Geleitet werden diese Arbeiten von Michel Barnier, dessen bisherige Brexit-Taskforce in die neue Einheit integriert wird. Start der neuen Taskforce ist der 16. November – unabhängig von den Entwicklungen in Großbritannien, wie die EU-Kommission betonte.Nach Angaben von EU-Ratspräsident Donald Tusk werden die EU-Mitgliedstaaten in den kommenden Tagen über eine mögliche weitere Brexit-Verlängerung entscheiden.