Kabinett billigt Brexit-Vertrag

Schottische Tories fürchten um Fischereirechte - Nordirische Unionisten gegen Sonderstatus für Ulster

Kabinett billigt Brexit-Vertrag

Das britische Kabinett hat den Entwurf des Austrittsabkommens mit der EU angenommen. Das bestätigte die britische Premierministerin Theresa May am Mittwochabend nach einer langen Sitzung der Regierung in London. Die Entscheidungen seien nicht leichtfertig getroffen worden, unterstrich May. hip London – Die britische Regierung hat nach einer langen Kabinettssitzung dem Entwurf eines Ausstiegsvertrags aus der Europäische Union zugestimmt. Zuvor hatte Premierministerin Theresa May den Mitgliedern ihrer Regierung zwei Optionen geboten. Sie konnten den von ihrem Verhandlungsführer Oliver Robbins ausgehandelten Deal akzeptieren oder ihr Amt niederlegen. Eine auf drei Stunden angesetzte Kabinettssitzung ging schließlich nach fünf Stunden zu Ende, ohne dass bis Redaktionsschluss Minister ihre Ämter niederlegten. Der angeblich mehrere hundert Seiten starke Entwurf für die Austrittsvereinbarung, auf deren Grundlage das Land die EU im März 2019 verlässt, wurde bislang nicht veröffentlicht. Generalstaatsanwalt Geoffrey Cox hält sie angeblich für besser als gar keine Übereinkunft. Unterdessen zeichnet sich ab, dass May ihre Mehrheit im Unterhaus abhandenkommen könnte.”Als Unionisten könnten wir keinen Deal unterstützen, durch den das Vereinigte Königreich zerschlagen wird”, sagte Arlene Foster, die Führerin der nordirischen Unionisten. Ohne die zehn Mandate der Democratic Unionist Party (DUP) verfügt Theresa May über keine Mehrheit im Unterhaus. Wenn es seitens der EU oder Irlands ein Interesse an einer pragmatischen Lösung der Nordirland-Problematik gegeben hätte, wäre das möglich gewesen, sagte sie. Dieses Interesse habe es aber leider nicht gegeben. Man habe bislang keinen Einblick in den Entwurf der Austrittsvereinbarung erhalten. Sie hoffe, dass sie ihn zu sehen bekomme, wenn sie mit May zusammentrifft. Es sei sehr frustrierend, dass sich der Brexit zu einem derart negativen Prozess entwickelt habe, statt zu einem positiven Prozess der Veränderung. Foster dürfte kein Interesse daran haben, Labour-Chef Jeremy Corbyn die Schlüssel zum Amtssitz des Premierministers in der Downing Street zu übergeben. Allerdings könnte sich die DUP aus prinzipiellen Gründen gezwungen sehen, die Zusammenarbeit mit den Tories zu beenden, wenn die Union aus ihrer Sicht zerschlagen wird. Kein unilateraler AusstiegNach allem, was bislang bekannt ist, hat man sich in Sachen Nordirland darauf geeinigt, dass ganz Großbritannien in der Zollunion verbleibt, sollte man keine bessere Lösung finden, um eine harte Grenze auf der Grünen Insel zu vermeiden. Nordirland soll aber “tiefere” Beziehungen zur EU unterhalten, zusätzlich sollten dort in einigen Bereichen Regeln und Vorschriften der Staatengemeinschaft gelten. Ein unilateraler Ausstieg des Vereinigten Königreichs aus der “Notlösung” Zollunion ist nicht möglich. Es wäre demnach einfacher, nach Artikel 50 des Vertrags von Lissabon aus der EU auszutreten, als diese Zollunion zu verlassen. “Wir sollten in der besten Verhandlungsposition für die künftigen Beziehungen sein”, werden Bemerkungen von Sabine Weyand, der Stellvertreterin von EU-Chefunterhändler Michel Barnier, vor EU-Diplomaten von der “Times” zitiert. “Das erfordert die Zollunion als Basis der künftigen Beziehungen.” Großbritannien müsse seine Regeln anpassen, die EU werde die Kontrolle komplett behalten. “Sie werden die gleichen Regeln anwenden. Großbritannien will viel mehr von den künftigen Beziehungen, also ist die EU weiterhin im Vorteil.” May habe keinen Deal gemacht, sondern vor Brüssel kapituliert, sagte Jacob Rees-Mogg, der Vorsitzende der European Research Group (ERG), dem Sender Sky News. Großbritannien werde dadurch vom “Vasallenstaat” zum “Sklavenstaat”.Die ERG machte vor der Kabinettssitzung Druck auf die Regierungsmitglieder, die sich für den EU-Austritt eingesetzt hatten, den von den Verhandlungsführern beider Seiten ausgehandelten Entwurf abzulehnen. Die bis zu 80 EU-Gegner, die sich in der ERG zusammengeschlossen haben, könnten Mays Deal im Unterhaus niederstimmen. Rees-Mogg hatte stets betont, es gehe um die richtige Politik und nicht um die Person an der Spitze der Partei. Zuletzt deutete er an, dass das nicht mehr der Fall sein könnte. Der Ärger der Brexiteers ist so groß, dass sie versuchen könnten, May als Parteichefin zu entthronen. Schotten für die UnionMay droht auch aus Schottland Ungemach. Sie erhielt einen von allen 13 schottischen Unterhausabgeordneten ihrer Partei unterzeichneten Brief, in dem sie damit drohen, ihren Deal niederzustimmen, wenn er ihren Versprechungen zu den Fischereirechten zuwiderlaufe. Sie wollen sicherstellen, dass die gemeinsame Fischereipolitik keine Anwendung mehr findet, wenn 2021 Wahlen zum Regionalparlament in Holyrood stattfinden. Weyand hatte der “Times” zufolge gesagt, Großbritannien werde in künftigen Vereinbarungen eine Verknüpfung des Zugangs von Produkten mit Fischereithemen “schlucken” müssen.Die schottischen Tories dürften auch einer Sonderbehandlung Nordirlands nicht zustimmen, denn sie wissen, dass dann auch die schottischen Nationalisten eine engere Anbindung an die EU fordern würden. Nicola Sturgeon, die Führerin der Scottish Nationalist Party, klagte bereits, der Deal verschaffe Nordirland einen unfairen Vorteil. Ruth Davidson, die populäre Führerin der schottischen Konservativen, und Schottlandminister David Mundell hatten im vergangenen Monat mit Rücktritt gedroht, sollte ein Deal die territoriale Integrität Großbritanniens untergraben. Ohne die 13 schottischen Abgeordneten hätte May auch mit der DUP keine Mehrheit.