NOTIERT IN MAILAND

Kampf der Enkelinnen Mussolinis

Anfang Juni finden in Italien Bürgermeisterwahlen statt. Unter anderem wird auch in den vier italienischen Großstädten Mailand, Rom, Turin und Neapel gewählt. Das Land befindet sich voll im Wahlkampf. Da geht es nicht so sehr um ideologische Werte,...

Kampf der Enkelinnen Mussolinis

Anfang Juni finden in Italien Bürgermeisterwahlen statt. Unter anderem wird auch in den vier italienischen Großstädten Mailand, Rom, Turin und Neapel gewählt. Das Land befindet sich voll im Wahlkampf. Da geht es nicht so sehr um ideologische Werte, um Programme oder Budgetfragen. Es geht vielmehr um persönliche Machtkämpfe.Etwa in Rom, wo gleich zwei Enkelkinder des faschistischen Diktators Benito Mussolini im Rennen um einen Platz im Gemeinderat sind: Neben der Neu-Politikerin Rachele Mussolini, 41 Jahre alt und Mutter von zwei Kindern, tritt auch die 53-jährige Alessandra an. Sie ist ein bereits bekanntes Gesicht auf der politischen Bühne Italiens. Alessandra saß schon im italienischen wie auch im EU-Parlament und wechselte von den Neofaschisten zu Berlusconis Partei Forza Italia.Die beiden Halbschwestern kämpfen nicht mit-, sondern gegeneinander: Rachele unterstützt Giorgia Meloni von der rechten Partei Fratelli d’Italia – Alleanza Nazionale, Alessandra hingegen Alfio Marchini von der Forza Italia. Damit ist der Streit in Italiens Mitte-rechts-Lager, der seit dem schleichenden Abgang von Silvio Berlusconi tobt, um eine Facette reicher geworden. Während die medienscheue Rachele bemüht ist, die Aufmerksamkeit von ihrer Familie wegzulenken, nutzt Schwester Alessandra jede Gelegenheit, um ihren Großvater zu nennen. “Ich habe noch nie einen Vorteil aus meinem Nachnamen gezogen”, versucht sie sich in einem Interview der Tageszeitung “Corriere della Sera” zu verteidigen. “Im Gegenteil: Es ist alles andere als einfach, diesen Nachnamen zu tragen, in Italien oder auf der ganzen Welt. Es ist ein schwieriger Name, aber ich trage ihn mit Stolz.”Anwärterinnen auf den Posten der Bürgermeisterin sind allerdings beide nicht: Als Favoritin gilt die politische Neueinsteigerin Virginia Raggi von der Protestbewegung Movimento Cinque Stelle (M5S). Die Rechtsanwältin liegt in den Umfragen mit knapp 30 % auf Platz eins. *Doch noch ist nicht das letzte Wort gesprochen. Italiens Staatsanwälte haben in der vergangenen Woche wissen lassen, dass gegen zwei Bürgermeister der Protestbewegung M5S ermittelt wird. Das ist in Italien nicht außergewöhnlich. Vor wenigen Tagen wurde der Bürgermeister von Lodi, einem kleinen Städtchen nahe Mailands, wegen Korruption hinter Schloss und Riegel gesetzt. Er war Mitglied der Regierungspartei PD. Diese hat ihn sofort ausgeschlossen. Nicht so M5S: Während die Protestbewegung dem Bürgermeister von Livorno, Filippo Nogarin, einem treuen Mitglied der M5S, den Rücken stärkt, haben Parteigründer Beppe Grillo und seine Genossen den Bürgermeister von Parma, Federico Pizzarotti, das Misstrauen ausgesprochen. Tatsache ist, dass Pizzarotti seit Monaten die Parteistrategie von M5S kritisiert und dessen Führungsgremium ein Dorn im Auge ist. Pizzarotti steht im Verdacht des Amtsmissbrauchs, gegen Nogarin wird wegen Beihilfe zum betrügerischen Bankrott ermittelt. Die Protestbewegung, die sich seit je als politischer Moralapostel verkaufte, steht nicht nur wegen der Ermittlungen, sondern vor allem wegen ihres wenig kohärenten Verhaltens gegenüber ihren Mitgliedern im Kreuzfeuer der allgemeinen Kritik.In Mailand seht nach den jüngsten Meinungsumfragen “Mr. Expo”, Giuseppe Sala, knapp vor seinem Rivalen Stefano Parisi von der Mitte-rechts-Koalition in der Gunst der Wähler. Parisi, einstiger CEO der erfolgreichen Telekomfirma Fastweb, versucht mit seiner Managerkarriere in der Wirtschaftsmetropole Mailand Stimmen zu gewinnen. Sala punktet hingegen mit seiner erfolgreichen Organisation der Weltausstellung Expo 2015.Sollte die Regierungspartei PD in Mailand verlieren, so bedeutete dies für Italiens Premier Matteo Renzi die erste große Schlappe während seiner zweieinhalbjährigen Amtszeit. Eine entsprechende Schlappe, so befürchtet der Historiker Massimo Cacciari, Ex-Bürgermeister von Venedig, könnte beachtliche Konsequenzen haben. Vor allem würde sie sich auf die im Herbst stattfindende Volksabstimmung über die Verfassungsänderung auswirken. Renzi hat seine politische Zukunft an den Erfolg des Referendums geknüpft.