LEITARTIKEL

Kampf um die (Ohn-)Macht

Wer die Nachfolge des noch nicht einmal offiziell abbestellten Fed-Chefs Ben Bernanke übernimmt, wird an der Wall Street derzeit fast so heiß diskutiert wie der Einstiegszeitpunkt für die Drosselung von "Quantitative Easing 3" (QE3). Nachdem sich...

Kampf um die (Ohn-)Macht

Wer die Nachfolge des noch nicht einmal offiziell abbestellten Fed-Chefs Ben Bernanke übernimmt, wird an der Wall Street derzeit fast so heiß diskutiert wie der Einstiegszeitpunkt für die Drosselung von “Quantitative Easing 3” (QE3). Nachdem sich der Anfang vom Ausstieg aus dem 85 Mrd. Dollar schweren Anleihekaufprogramm langsam in Richtung Jahresende zu verschieben droht, dürfte Bernanke, dessen Amtszeit im Januar endet, das Gros der diffizilen QE3-Abwicklung wohl dem nächsten Chairman überlassen. Der hat damit neben der langsamen Wirtschaftserholung, der schwachen Arbeitsmarktentwicklung und der möglicherweise platzenden Blase am Aktienmarkt nur ein Problem mehr am Bein.Ein bestelltes Haus kann der noch unter Präsident George W. Bush berufene Notenbankchef ohnehin nicht mehr übergeben. Die Fed-Bilanz hat sich unter Bernanke dank der Finanzkrise binnen wenigen Jahren von unter 1 Bill. Dollar auf mehr als 3,5 Bill. Dollar nahezu vervierfacht. Der Notenbankchef hat zwar stets erklärt, die Fed habe Instrumente, die Bilanzsumme zu reduzieren. Diese Aufgabe hat er aber lieber seinen Nachfolgern überlassen. Nach den beiden vorangegangenen geldpolitischen Lockerungen QE1 und QE2 ist nämlich jeweils nur die erreichte Bilanzhöhe stabilisiert worden – bis sie bei der nächsten geldpolitischen Lockerung wieder nach oben schießen konnte. Präsident Barack Obama dürfte ihn auch deshalb nicht für eine dritte Amtszeit in Betracht ziehen.Die Favoritin der meisten Ökonomen, Vize-Chefin Janet Yellen, soll zwar auf Obamas Shortlist der aussichtsreichsten Kandidaten stehen. Als Spitzenreiter im Rennen um das prestigeträchtige Amt kristallisiert sich aber zunehmend der Ex-Finanzminister und ehemalige Berater der Obama-Regierung Larry Summers heraus. Zwar hat allein die Erwähnung des als Regulierungsgegner geltenden Summers einen Sturm der Entrüstung im demokratischen Lager ausgelöst. Dass Obama deswegen von Summers abrücken wird, lässt sich indes nicht erkennen. Erst jüngst soll er ihn in geschlossener Runde vor den Angriffen des linken Parteiflügels in Schutz genommen haben.Für Vice Chairman Janet Yellen könnte sich die offene Parteinahme einiger Summers-Gegner noch als Bumerang erweisen. Zwar kann sie gewichtige Argumente in die Waagschale werfen. Vor ihrem Amt als Vize-Chefin der Fed leitete sie die Federal Reserve Bank in San Francisco. Unter den Mitgliedern des Offenmarktausschusses ist sie hoch angesehen – auch wegen ihrer Moderationsstärke in der aktuell angespannten Lage zwischen Falken und Tauben in der Fed. Ihre Prognosen zur Entwicklung der US-Wirtschaft waren zudem in den vergangenen zwei Jahren mit Abstand die besten aller Ausschussmitglieder.Doch all das könnte am Ende nichts zählen, wenn Obama – so wie es sich andeutet – lieber seinen Ex-Berater und wohl auch persönlichen Freund Summers an der Spitze sehen will. Für einige Banklobbyisten, mit denen Summers verbandelt ist, dürfte diese Variante zwar die bevorzugte sein. Dem könnte aber eine Fehleinschätzung zugrunde liegen. Yellen wird den Bernanke-Kurs wohl fortführen. Damit ist sie berechenbarer als der zuweilen erratische Summers. Dieser könnte derweil versucht sein, seine Kritiker zum Schweigen zu bringen, die ihm vorhalten, bei der Regulierung bislang zu lax gewesen zu sein.Selbst wenn der Harvard-Ökonom keinen Bedarf sieht, sich diesbezüglich zu beweisen, gefährdet seine Berufung den Frieden der Fed. Denn während in Obamas Beraterteam fast alle Mitarbeiter für Summers sind, stehen die Notenbanker bislang mehrheitlich auf der Seite Yellens. Sollte er Summers nicht durchsetzen können, wird Obama wohl andere Kandidaten in Betracht ziehen, um mit Yellens Nominierung nicht das Gesicht zu verlieren. Als einen möglichen Kandidaten soll er bereits Donald Kohn ins Spiel gebracht haben. Der 61-Jährige war von 2006 bis 2010 Vice Chairman der Fed und dürfte damit ebenfalls leicht den Rückhalt der Ausschussmitglieder erhalten.Die Bedeutung der Wahl sollte indes nicht überschätzt werden. Zwar kann ein Notenbankchef mit unbedachten Aussagen viel Schaden anrichten. Alle drei Kandidaten sollten mit ihrer langjährigen Erfahrung davor aber einigermaßen gefeit sein. Der Strauß der Optionen, mit denen die lahmende US-Wirtschaft angekurbelt werden kann, wurde von Vorgänger Bernanke derweil mit mäßigem Erfolg bereits weitgehend abgegrast. Der Sieger des Wettstreits wird feststellen, dass er um Macht kämpfte, aber lediglich weitgehende Ohnmacht erstritten hat.——–Von Sebastian SchmidWährend der Abschied von Ben Bernanke noch nicht einmal verkündet wurde, tobt der Streit um die (recht undankbare) Nachfolge bereits.——-