NOTIERT IN BERLIN

Kandidatenlauf für das Kanzleramt

Die Coronakrise könnte noch ganz andere Opfer fordern als nur solche der Krankheit und des wirtschaftlichen Shutdowns. Denn in der Ausnahmesituation der Pandemie gerät aus dem Blick, dass gut 15 Monate vor der Bundestagswahl nicht nur offen ist, wer...

Kandidatenlauf für das Kanzleramt

Die Coronakrise könnte noch ganz andere Opfer fordern als nur solche der Krankheit und des wirtschaftlichen Shutdowns. Denn in der Ausnahmesituation der Pandemie gerät aus dem Blick, dass gut 15 Monate vor der Bundestagswahl nicht nur offen ist, wer die nächste Regierung als Kanzler oder Kanzlerin führen wird. Bei den aussichtsreichen Parteien ist nicht einmal klar, wer für diesen Posten als Kandidat ins Rennen geht. Gäbe es die Pandemie nicht, wäre der Machtkampf innerhalb der Parteien um die Führung voll entbrannt. Nun fällt dies zum Teil aus, weil das Führungspersonal mit wichtigeren Fragen befasst ist. Zum Teil tritt es in der öffentlichen Wahrnehmung hinter die akuten Themen zurück. Gleichwohl positionieren sich die Personen. Je näher die Entscheidung an den Wahltermin im Herbst 2021 heranrückt, desto weniger Zeit bleibt den Protagonisten, sich auf den Führungswechsel nach der Ära Merkel vorzubereiten und aufzustellen. Die Zeit drängt.Gute Aussichten hat den Umfragen zufolge die Union, ihre Position als stärkste Partei nicht nur zu behaupten, sondern auszubauen. Die Krise gab ihr Aufwind. Die Demoskopen sehen sie um die 38 % – 5 Punkte höher als bei der Bundestagswahl 2017. Seit dem angekündigten Rückzug der Parteivorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer sind für die CDU vor allem Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet und Jens Spahn sichtbar, die im Duo segeln. Spahn hat sich dabei hinter Laschet eingereiht. Ins Rampenlicht gerückt ist unerwartet CSU-Parteichef Markus Söder, der sich in Bayern als harter Verfechter von Corona-Vorsichtsmaßnahmen gegen den öffnungsgeneigten Laschet geriert. Kaum präsent ist mangels politischen Amts Friedrich Merz. Er kämpft sich nur langsam wieder in die Schlagzeilen. Nach dem coronabedingt Ende April ausgefallenen Sonderparteitag der CDU ist die Wahl des neuen Vorsitzenden auf den regulären Termin im Dezember vertagt. Danach entscheiden CDU und CSU gemeinsam die K-Frage.Die SPD hält trotz schlechter Umfragewerte von 15 %, die um 5 Punkte hinter 2017 zurückbleiben, an einem Kanzlerkandidaten fest. Vizekanzler Olaf Scholz hat trotz seines Scheiterns für den Parteivorsitz Ambitionen. Neu ist der Name von Rolf Mützenich, der als Fraktionschef zur Gruppe der gekorenen Kandidaten zählt. Die Parteivorsitzende Saskia Esken hat ihn ins Spiel gebracht. Mützenich selbst hält sich bedeckt. Das SPD-Parteiführungsduo aus Esken und Norbert Walter-Borjans hat bislang wenig von sich reden gemacht, stört aber auch nicht weiter.Die Grünen taxieren die Demoskopen zwischen 16 % und 19 %, um rund 10 Punkte höher als 2017. Zu einem rot-rot-grünen Bündnis unter Führung der Grünen reicht es nicht. Die Linke liegt um die 8 %. Auch CDU/CSU scheinen die Grünen derzeit nicht zu überholen. Das lag zeitweise in erreichbarer Nähe. Dies enthebt die Partei zumindest der dringlichen Klärung, ob sie ihr ehernes Prinzip von gemischten Doppeln aufgibt – und zwischen Annalena Baerbock und Robert Habeck als KandidatIn für das Kanzleramt entscheidet.