Kapitalgeber locken Athen mit 15 Mrd. Euro

Schäuble prangert griechische Verhandlungsstrategie an: Kein Euro-Land darf auf Kosten der anderen grenzenlos Geld ausgeben

Kapitalgeber locken Athen mit 15 Mrd. Euro

Vor dem – für die Zukunft Griechenlands im Euro entscheidenden – Treffen der Euro-Finanzminister hat Bundeskanzlerin Angela Merkel am Freitag ihren griechischen Amtskollegen Alexis Tsipras “ermuntert, das außergewöhnlich großzügige Angebot” der Kapitalgeber anzunehmen. Es sieht Auszahlungen von gut 15 Mrd. Euro bis November vor.fed/lz/ms Brüssel/Frankfurt – Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident François Hollande trafen sich am Freitag nach Abschluss des EU-Gipfels noch einmal mit dem griechischen Regierungschef Alexis Tsipras. Sie unterstrichen, dass der letzte Vorschlag der Geldgeber über die Konditionen des zweiten Hilfsprogramms hinausgehe – die Gläubiger also bereits Zugeständnisse gemacht hätten.In ihrem Angebot stellen die Gläubigerinstitutionen in Aussicht, dass Hellas in den nächsten fünf Monaten mit mehr als 15 Mrd. Euro Hilfe rechnen kann, wenn es zu einer Verständigung kommt. 1,8 Mrd. Euro könnten bereits an diesem Montag fließen – es ist ein Betrag, der sich aus Zinsgewinnen der Europäischen Zentralbank (EZB) aus dem Kauf griechischer Staatsanleihen speist. Diese Summe würde erst einmal reichen, um die akute Schuldenrate beim Internationalen Währungsfonds (IWF) von 1,6 Mrd. Euro zu finanzieren. Umwidmung von BankhilfenMehr als die Hälfte der Hilfen bis November, nämlich 8,7 Mrd. Euro, sollen vom Euro-Rettungsfonds kommen – größtenteils durch Umwidmung von Geld, das eigentlich zur Stärkung maroder Banken vorgesehen war. Weitere 1,5 Mrd. im Herbst stehen deshalb zu Verfügung, weil die EZB auch in diesem Jahr Zinsgewinne macht, die sie an Hellas zurücküberweisen möchte. 3,5 Mrd. Euro soll schließlich der IWF beisteuern. Damit er an Bord bleibt, enthält das Angebot – in einer Fußnote versteckt – eine Klausel, die andeutet, dass die Euro-Partner zu einem Anschlussprogramm bereit sind.Zu weiterem Geschacher mit Athen scheinen die Euro-Partner nicht mehr bereit. “Der Eurogruppe am Samstag kommt eine entscheidende Bedeutung zu”, erklärte die Kanzlerin. Sie würde allenfalls nochmals mit Tsipras telefonieren. Aber ein erneutes Treffen der Regierungschefs schloss Merkel aus. Es sei nicht die Aufgabe der Premiers, über technische Details zu verhandeln.Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat Griechenland davor gewarnt, die Hilfsgelder zwar einstreichen zu wollen, dafür aber keine Gegenleistungen zu liefern. “Kein Land in einer Währungsunion darf auf Kosten der anderen grenzenlos Geld ausgeben”, sagte er auf der Jahrestagung des Institute of International Finance (IIF) in Frankfurt. Der Minister zeigte sich höchst verärgert, dass die griechische Regierung mit Verweis auf den Wählerauftrag stur auf ihren Positionen bestehe. “Nicht nur die griechische Regierung ist demokratisch gewählt – auch meine”, sagte er. Der Bundestag müsse einer Einigung der Geldgeber mit Athen zustimmen. Und in einer Währungsunion wie der Eurozone, in der es keine richtige Fiskalunion gebe, müssten sich die Staaten an klare Regeln halten. Auch Griechenland. “Es steht viel auf dem Spiel”Ohne einschneidende Strukturreformen, stabile öffentliche Finanzen, funktionierende Märkte sowie effiziente staatliche Strukturen, worauf die Gläubiger hinarbeiteten, werde es in Griechenland ohnehin kein nachhaltiges Wirtschaftswachstum geben, warb Schäuble für Einsicht bei der Regierung in Athen. Es stehe zudem viel auf dem Spiel. Sollten die Märkte das Vertrauen in die handelnden Personen verlieren, würde das die Währungsunion zerstören. Schäuble: “Es gibt große Risiken. Deshalb ist es auch eine so schwere Entscheidung.” Und an die Adresse der EZB gewandt, die derzeit die griechischen Banken noch mit Notliquidität (ELA) vor dem Bankrott bewahrt, betonte er, dass die Geldpolitik immer auch die Gefahr eines Moral Hazard im Blick haben müsse.Am Freitag verschaffte die EZB den Verhandlungspartnern zunächst einmal weitere Zeit. Der EZB-Rat verlängerte laut Insidern die ELA-Notfallkredite für die Hellas-Banken. Das Volumen beließ er erneut bei knapp 89 Mrd. Euro. Ohne ELA würden die Banken kollabieren, was auch den Staat in die Pleite reißen würde. Spätestens am Montag berät der EZB-Rat erneut. Je nach Verlauf der Gespräche in Brüssel sollte es aber auch frühere Beratungen geben. Im Rat wächst der Unmut; Bundesbankpräsident Jens Weidmann hatte die Hilfen am Donnerstag öffentlich scharf kritisiert.Die Hellas-Banken leiden seit Monaten unter Kapitalabflüssen. Im Mai gingen die Einlagen um rund 4,1 Mrd. Euro auf gut 140 Mrd. Euro zurück, wie aus jüngsten Daten der EZB zur Geldmengenentwicklung hervorgeht. Seit November beläuft sich das Minus damit auf rund 40 Mrd. Euro. Mitte Juni hatte sich der Kapitalabfluss aber zeitweise enorm beschleunigt, ehe er sich in den vergangenen Tagen wieder beruhigte.