Karlsruhe bekräftigt Bedenken gegen EZB

Verfassungsrichter sehen QE-Programm kritisch

Karlsruhe bekräftigt Bedenken gegen EZB

ms Frankfurt – Das Bundesverfassungsgericht hat seine Bedenken gegen die milliardenschweren Wertpapierkäufe der Europäischen Zentralbank (EZB) untermauert. Nach Auffassung seines Senats sprächen “gewichtige Gründe” für die Rechtsansicht der Kläger, dass die EZB mit den Käufen verbotenerweise Staatsfinanzierung und Wirtschaftspolitik betreibe, sagte Präsident Andreas Voßkuhle gestern laut dpa-afx zum Auftakt einer zweitägigen mündlichen Anhörung zu den Anleihekäufen (Quantitative Easing, QE).Das Bundesverfassungsgericht hatte bereits im August 2017 schwerwiegende Bedenken gegen die Staatsanleihekäufe der EZB angemeldet und den Europäischen Gerichtshof (EuGH) eingeschaltet. Die Luxemburger Richter hatten QE dann aber im Dezember 2018 für rechtens erklärt und der EZB grundsätzlich großen Handlungsspielraum zugestanden. Nun muss Karlsruhe über die ausstehenden Klagen in Deutschland entscheiden. Berlin verteidigt EuGHDer Prüfungsmaßstab des Gerichts sei beschränkt, sagte Voßkuhle gestern. Es sei nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, seine Auslegung an die Stelle derjenigen des EuGH zu setzen. Die Bindungskraft einer Luxemburger Entscheidung entfalle nur, wenn diese “schlechterdings nicht mehr nachvollziehbar” und daher “objektiv willkürlich” sei.Finanzstaatssekretär Jörg Kukies (SPD) verteidigte gestern in der Verhandlung die Entscheidung des EuGH. “Es mag sein, dass einzelne Sachverständige zu einer abweichenden Einschätzung kommen”, sagte Kukies laut Reuters. Das bedeute aber noch nicht, dass die Beurteilung des EuGH nicht vertretbar wäre. “Darauf kommt es an”, sagte er. Zentralbanken bräuchten für ihre geldpolitischen Entscheidungen stets einen weiten Beurteilungsspielraum.Zwischen Herbst 2014 und Dezember 2018 hatte das Eurosystem aus EZB und den nationalen Zentralbanken für rund 2,6 Bill. Euro Wertpapiere gekauft, vor allem Staatsanleihen. Mit der Geldschwemme wollten die Euro-Notenbanker die Wirtschaft ankurbeln und die seit Jahren unterhalb des EZB-Ziels liegende Inflation anheizen.Besondere Brisanz erhält die Entscheidung des Bundesverfassungsgericht nun dadurch, dass der EZB-Rat angesichts des sich erneut verschlechternden Wirtschaftsausblicks auf eine weitere Lockerung seiner Geldpolitik zusteuert und dabei auch neue Nettowertpapierkäufe prüft. Aktuell investiert das Eurosystem nur das Geld aus fällig werdenden Anleihen und hält so den QE-Bestand in der Notenbankbilanz konstant.Für die EZB ist zwar nicht das Bundesverfassungsgericht, sondern der EuGH maßgeblich. Allerdings dürften die Euro-Notenbanker das Urteil aus Karlsruhe sehr genau studieren, wenn es um eine QE-Neuauflage geht. Das gilt insbesondere für Grenzen bei QE, die sich die EZB selbst gesetzt hat, und deren Verbindlichkeit. Diese Grenzen limitieren aktuell den Handlungsspielraum, und EZB-Präsident Mario Draghi hat gesagt, es gebe eine gewisse Flexibilität.