Karlsruhe schützt Tatsachenbehauptungen
lz Frankfurt – Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) geht gegen die zunehmende Unsitte im Wirtschaftsumfeld vor, selbst wahre Tatsachenbehauptungen durch Abmahnungen unterdrücken zu wollen, weil sie sich schädlich auf das Geschäft auswirken könnten. Die Richter der Dritten Kammer des Ersten Senats gaben nun einer Verfassungsbeschwerde gegen eine solche zivilgerichtliche Verurteilung statt (Az: 1 BvR 3487/14).Ein Landgericht hatte dem Beschwerdeführer die weitere Behauptung wahrer Tatsachen über einen drei Jahre zurückliegenden Rechtsstreit untersagt. Darin ging es um Rückzahlungsansprüche aus einem gewerblichen Mietverhältnis. Erst nach einer Strafanzeige und der Erteilung eines Zwangsvollstreckungsauftrags wurde die ausstehende Zahlung abgewickelt. Der Beschwerdeführer berichtete über den Fall auf Internetportalen. Offenbar wollte er andere vor einer Kontaktaufnahme mit dem Unternehmen warnen.Der Inhaber des betroffenen Unternehmens sah sich dadurch aber in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt, klagte auf Unterlassung dieser Äußerungen und bekam vor Gericht recht. Das Oberlandesgerichts wies zudem die Berufung des Beschwerdeführers zurück.Die Verfassungsrichter sehen in den im Internet verbreiteten Tatsachenbehauptungen keine “ausreichend schwere Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts”. Es lasse sich zudem “nicht erkennen, dass dem Kläger ein unverhältnismäßiger Verlust an sozialer Achtung droht”. Auch dass der Ausgangsfall bereits drei Jahre zurückliegt, ist nach Ansicht der Verfassungsrichter kein Grund, die Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers insoweit zu beschneiden, dass er “die von ihm erlebten unstreitig wahren Tatsachen” nicht mehr äußern dürfte. Die Fachgerichte, mahnen die Richter, hätten “die Bedeutung und Tragweite der Meinungsfreiheit nicht hinreichend gewürdigt”. Die Schwelle zur Persönlichkeitsrechtsverletzung werde bei der Mitteilung wahrer Tatsachen über die Sozialsphäre regelmäßig erst dort überschritten, wo sie einen Persönlichkeitsschaden befürchten lasse, “der außer Verhältnis zu dem Interesse an der Verbreitung der Wahrheit” stehe. “Recht auf Vergessen”Das nun vorliegende Urteil dürfte in zahlreichen weiteren Fällen für Furore sorgen, in denen Wirtschaftsakteure etwa darauf gedrungen haben, frühere Ereignisse, bei denen sie nicht gut wegkommen, aus den Archiven verschwinden zu lassen. Schließlich könnten dadurch ihre aktuellen Geschäftsinteressen beeinträchtigt werden. Sie berufen sich dabei oftmals auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom Mai 2014 zum “Recht auf Vergessenwerden”. Es ist auch nach über zwei Jahren immer noch Gegenstand vieler Diskussionen und hat weitreichende Folgen nach sich gezogen. Karlsruhe hat die Hürde, um der Öffentlichkeit die Recherche nach früheren Begebenheiten zu erschweren, mit dem aktuellen Votum nun wieder etwas höher gesetzt.