NOTIERT IN BERLIN

Karnevalsopfer große Koalition

Karneval liegt in diesem Jahr ausgesprochen ungünstig - jedenfalls aus der Karnevalsdiaspora Berlin betrachtet. Denn das bewegliche Fest, das an Ostern und den Frühlingsvollmond geknüpft ist, diktiert die Termine für die Verhandlungen zu einer...

Karnevalsopfer große Koalition

Karneval liegt in diesem Jahr ausgesprochen ungünstig – jedenfalls aus der Karnevalsdiaspora Berlin betrachtet. Denn das bewegliche Fest, das an Ostern und den Frühlingsvollmond geknüpft ist, diktiert die Termine für die Verhandlungen zu einer Neuauflage der großen Koalition. “Bis Fastnacht” wolle sie fertig sein, hatte CDU-Parteivorsitzende Angela Merkel als Ziel ausgegeben, kurz nach dem Plazet des SPD-Sonderparteitags. Der SPD-Spitze schien dies etwas zu ambitioniert. Denn die Partei ist skeptisch. Nur ganz knapp hatten die Delegierten der Aufnahme von Koalitionsverhandlungen zugestimmt. Nach dem Parteitag benötigte die SPD-Spitze eine ganze Woche, um sich seelisch und inhaltlich zu sortieren. Für die Koalitionsverhandlungen ist nun ebenfalls nur eine Woche anberaumt. In dieser kurzen Zeit ist ein Programm für bestenfalls vier Jahre Regierungszeit auszuhandeln. Das ist möglich, da das 28-seitige Sondierungsergebnis schon detailliert ist. Dennoch liegt der SPD-Spitze daran, den Eindruck überstürzter Verhandlungen zu vermeiden. Sie braucht für die Groko das Votum ihrer Parteibasis.CDU, CSU und SPD haben sich gleichwohl auf diesen knappen Fahrplan verständigt. Die Groko wird – noch bevor sie startet, wenn überhaupt – zum Opfer des Karnevals. Keinesfalls können die Unterhändler riskieren, mit ihrem Resultat in die tollen Tage zu geraten. Welch eine Vorstellung: nach Marathonverhandlungen bis in die Nacht verkünden die Koalitionäre am Rosenmontag ihr Ergebnis, während Teile der Republik im Alkoholtaumel Karnevalslieder singen? Oder sie warten auf den Mittwoch und treten mit dem Aschekreuz auf der Stirn vor die Presse? Um den Karneval zu umschiffen, wäre nur die Wahl geblieben, die Schlussverhandlung eine ganze Woche zu verschieben. Auch solche Fahrpläne kursierten in Berlin.Ungünstig wären Verhandlungen über die Karnevalstage auch für manche Ministerpräsidenten in Ländern mit Fastnachtshochburgen. Malu Dreyer (SPD) in Mainz oder Armin Laschet (CDU) in Düsseldorf, beide Mitglieder der Verhandlungsteams, sind in den tollen Tagen als Landesmutter und -vater mit durchaus publikumswirksamen Auftritten gefragt. Merkel musste ihren traditionellen Karnevalstermin schon zwischen die Beratungen jonglieren. Am vergangenen Montag empfing sie 16 Prinzenpaare aus den Ländern. Es wurden Orden verliehen, Tanzeinlagen geboten und schöne Fotos gemacht. Die Karnevalisten mussten sich sputen. Gleich zweifach wurde der lang fixierte Termin im Kanzleramt vorgezogen, damit er zwischen die Groko-Verhandlungen passte. Berlins Regierender Bürgermeister und amtierender Bundesratspräsident Michael Müller (SPD) hatte komplett das Nachsehen. Sein geplanter Antrittsbesuch bei Merkel samt Vorstellung der Zwei-Euro-Sondermünze mit Berlins Schloss Charlottenburg fiel am Freitag wegen Terminkollision ins Wasser. Ein Schönes hat die Lage von Karneval in diesem Jahr aber doch: Auf die Motivwagen zur Groko in den Rosenmontagszügen dürfen wir uns freuen.