Katalanen machen erneut mobil

Separatisten wollen ihrer Bewegung mit Protesten neuen Wind einhauchen

Katalanen machen erneut mobil

ths Madrid – In Barcelona demonstrierten am Dienstag anlässlich des katalanischen Nationalfeiertags Hunderttausende Personen für die Unabhängigkeit von Spanien und die Freilassung der inhaftierten separatistischen Politiker. Die Großveranstaltung soll der Auftakt für eine Reihe von Protesten sein, die auch den Jahrestag des vom spanischen Verfassungsgericht für illegal erklärten Unabhängigkeitsreferendums vom 1. Oktober 2017 sowie der folgenden Abspaltungserklärung einschließt. Die katalanischen Separatisten versuchen ihrer Bewegung neuen Wind einzuhauchen.Die Lage in Katalonien ist zwar weiterhin sehr angespannt, jedoch nicht von so großen Unsicherheiten geplagt wie vor einem Jahr. Anfang September sorgte die Entscheidung des Wasserversorgers Agbar für Aufsehen, der als erstes großes Unternehmen seinen Stammsitz wieder nach Barcelona verlegte, da die politische Lage “stabil” sei. Wie Tausende andere Firmen hatte die Tochter der französischen Suez im vergangenen Herbst ihren Sitz wegen der politischen Spannungen aus Katalonien abgezogen. Doch steht Agbar mit der Entscheidung derzeit noch allein dar. Die beiden katalanischen Großbanken, Caixabank und Sabadell, erklärten, dass ihr Umzug langfristig sei.Der sozialistische Ministerpräsident Pedro Sánchez, der im Juni durch ein Misstrauensvotum an die Macht gelangt war, hat den harten Konfrontationskurs seines konservativen Vorgängers Mariano Rajoy beendet und geht auf die Separatisten zu. So traf er sich mit dem katalanischen Regierungschef Quim Torra und stellte vor kurzem ein Referendum über ein neues Autonomiestatut für Katalonien in Aussicht. Das ist den Separatisten jedoch zu wenig. Sie bestehen auf einer verbindlichen Volksabstimmung über die Unabhängigkeit. Die nationalistischen Parteien, die nach dem Eingriff durch die Zentralregierung im Oktober bei den anschließenden Regionalwahlen im Dezember erneut eine knappe Mehrheit gewannen und an die Regierung zurückkehrten, sind sich jedoch selbst nicht einig über den Kurs. Die radikalen Elemente fordern die einseitige Einführung der katalanischen Republik, so wie es die Teilnehmer des verbotenen Referendums vor einem Jahr entschieden. Bei jener Abstimmung hatten jedoch fast ausschließlich Anhänger der Unabhängigkeit mitgemacht. Diese machen allen Umfragen und Wahlergebnissen nach nicht einmal die Hälfte der Bevölkerung aus. Der moderate Flügel der Separatisten lehnt daher einseitige Schritte zur Abspaltung ab und besteht auf Verhandlungen mit Madrid.Doch die Unabhängigkeit steht derzeit nicht mehr im Vordergrund. Seit Monaten kämpfen die “independentistas” vornehmlich für die Freilassung der ehemaligen Minister und anderen Separatisten, die wegen der Anklage der “Rebellion”, Anstiftung zum Aufruhr und Veruntreuung in Untersuchungshaft sitzen. Der frühere Ministerpräsident Carles Puigdemont entging der Auslieferung nach Spanien, da das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein den Anklagepunkt der Rebellion nicht anwenden wollte.Sánchez hat das Problem, dass er auf die Abgeordneten der katalanischen Nationalisten im Madrider Parlament angewiesen ist, etwa um den Haushalt 2019 durchzubringen. Die Konservativen und die Liberalen in Spanien wollen die Sozialisten dagegen mit diesem Thema aufreiben und werten jede kleine Geste an die Katalanen als Zugeständnis für deren Unterstützung der Minderheitsregierung. Eine Abschwächung des Katalonien-Konflikts zeichnet sich daher mittelfristig nicht ab, von einer Lösung ganz zu schweigen.