Kein Kanzlerwahlverein

Von Angela Wefers, zzt. Hamburg Börsen-Zeitung, 8.12.2018 Bei der Verkündung des knappen Wahlergebnisses war es vor Spannung so still im Saal wie bei der Gedenkminute am Anfang des Parteitags. Annegret Kramp-Karrenbauer ist neue Parteivorsitzende...

Kein Kanzlerwahlverein

Von Angela Wefers, zzt. Hamburg Bei der Verkündung des knappen Wahlergebnisses war es vor Spannung so still im Saal wie bei der Gedenkminute am Anfang des Parteitags. Annegret Kramp-Karrenbauer ist neue Parteivorsitzende der CDU. Mit nur 35 Stimmen Vorsprung vor Friedrich Merz wählten 999 Delegierte sie im zweiten Wahlgang. Jens Spahn schied nach der ersten Runde aus. Zuletzt hatte es 1973 in der CDU eine Kampfabstimmung um den Parteivorsitz gegeben. Amtsinhaber Rainer Barzel unterlag Helmut Kohl. Nach 18 Jahren unter der Führung von Angela Merkel geht mit dem 31. Parteitag in der CDU nun eine Ära zu Ende. Merkel war erst die siebente Parteivorsitzende der CDU seit 1950. Die SPD verschliss allein in der Amtszeit von Merkel zehn Parteichefs. Wie eine RockbandIn Hamburg – aber schon zuvor in den Regionalkonferenzen, durch die die drei Kandidaten “wie eine Rockband tourten” (Spahn), – hat die CDU das Stigma des Kanzlerwahlvereins überwunden. Die Partei ist im Rausch. Standing Ovations gab es schon zum Auftakt des Parteitags, als Merkel ganz ohne Scheinwerferlicht ihren Platz auf dem Podium einnahm. Die Abschiedsrede der Kanzlerin, die Bewerbungsreden der drei Kandidaten und die Handreichung der Verlierer mit der Siegerin Kramp-Karrenbauer nach der Wahl versetzten die Delegierten in Euphorie. Für die CDU geht es um nicht mehr und nicht weniger als um die Frage, ob sie als Volkspartei überlebt. In Europa, aber auch in Deutschland ist sie als Volkspartei das “Einhorn”, so Kramp-Karrenbauer, das überlebt hat. Sie will, dass dies so bleibt. Überzeugen konnte Kramp-Karrenbauer mit einer rhetorisch starken, mitreißenden Rede, die viel Szenenapplaus bekam.Das Wort “Mut” durchzog als roter Faden die Rede, in der sich Kramp-Karrenbauer unter anderem für ein starkes Europa, Digitalisierung, moderne Infrastruktur mit flächendeckender 5G-Versorgung, in Produktion mündende Forschung, Freiraum für Unternehmer und eine schlankere Bürokratie aussprach. “Leistung muss sich lohnen”, forderte Kramp-Karrenbauer, für die arbeitende Bevölkerung und für Rentner. Das Momentum des Aufbruchs will Kramp-Karrenbauer weiter nutzen. Die Partei solle “debattieren” und “denken”. Denkfabriken seien wichtig. “Die natürliche Denkfabrik muss die Volkspartei CDU sein”, sagte die neue Vorsitzende.Mit ihrer Rede stellte sie Merz in den Schatten. Der Unterlegene vertat große Teile seiner Redezeit von 20 Minuten – die er noch dazu überzog – mit Betrachtung der Vergangenheit. Erst im zweiten Teil seiner Rede gelang es ihm, die Delegierten zu begeistern, etwas mit der Aussage, dass Europa den USA Paroli bieten müsse. “Die Amerikaner akzeptieren Stärke und nicht Schwäche”, rief Merz aus. Die befürchtete Spaltung der CDU nach dem Kopf-an-Kopf- Rennen von Kramp-Karrenbauer und Merz dürfte ausbleiben. Spahn steht weiterhin für das Präsidium zur Verfügung. Merz präsentierte sich als sportlicher Verlierer und ist bereit, ohne Amt die Arbeit der CDU zu unterstützen und zu helfen. Merkels Abschied auf Raten Für Merkel war es der letzte Parteitag an der Spitze. Ihre Kanzlerschaft wird mit Kramp-Karrenbauer noch eine Weile halten. Der Vorsitzende der Europäischen Volkspartei, der Belgier Joseph Dauls, verlieh in bestem Deutsch seiner Hoffnung Ausdruck, dass Merkel als Regierungschefin noch bleibt: “Wir brauchen sie in diesen schweren Monaten noch in Europa”, sagte Dauls. Merkel selbst gab ihrer Partei mit auf den Weg, “mit Fröhlichkeit im Herzen” voranzugehen, neugierig auf Neues zu bleiben und die Dinge in die Hand zu nehmen. Die Abkehr vom Multilateralismus, die Rückbesinnung auf das Nationale, die neue Manier des Dealmakings, drohende Handelskriege, das Ringen um die Stabilität der gemeinsamen europäischen Währung und den Brexit bezeichnete Merkel als “tiefe Zäsur”. Diese Entwicklung lässt sie aber nicht verzweifeln. “Es fordert uns, zu zeigen, was in uns steckt”, ist die Antwort der Kanzlerin. Ganz direkt sprach Merkel auch an, was ihre Kritiker ihr oft vorgehalten haben. Dass sie auf deftige Angriffe ihrer Gegner nur mit dem Florett gefochten oder geschwiegen habe, und dass sie nicht über jedes Stöckchen gesprungen sei, dass man ihr hingehalten habe. Jetzt, wo der Abschied naht, zeigten sich die Delegierten versöhnlich und quittierten diese Strategie mit Applaus. So ganz ist der Abschied noch nicht da. Von der CDU wird sich Merkel nicht trennen, versprach sie. “Und Bundeskanzlerin bin ich ja auch noch.”—–Nach 18 Jahren Angela Merkel hat die CDU in Hamburg eine neue Parteiführung gewählt.—–