Keine Gipfel-Beschlüsse zum Brexit

Barnier: EU will mehr Zeit für Gespräche - Tusk fordert neue Vorschläge von London - Wirtschaft macht Druck

Keine Gipfel-Beschlüsse zum Brexit

Eine grundsätzliche Brexit-Einigung auf dem heute beginnenden EU-Gipfel ist mittlerweile in weite Ferne gerückt. Beschlüsse werden in Brüssel nicht erwartet. Chefunterhändler Michel Barnier kündigte bereits an, die EU werde sich mehr Zeit nehmen. Die Wirtschaft dringt allerdings weiter auf rasche Klarheit. ahe Brüssel – Die EU-27 rechnet nicht mehr mit einer Brexit-Verständigung mit Großbritannien auf dem anstehenden Gipfeltreffen in Brüssel. “Beschlüsse sind nicht geplant”, hieß es hierzu deutlich aus deutschen Regierungskreisen. Chefunterhändlers Michel Barnier kündigte bereits an, man wolle sich für die Gespräche mit der britischen Regierung mehr Zeit nehmen.Die Staats- und Regierungschefs der EU-27 kommen heute in Brüssel zusammen, um im Rahmen eines Abendessens über den Stand der Verhandlungen zu beraten. Der britischen Premierministerin Theresa May wird im Vorfeld des Treffens kurz Gelegenheit gegeben, ihre Sicht der Dinge zu schildern. Beim Dinner ist sie dann nicht dabei.Die Rede von May am Montag vor dem britischen Unterhaus und ihre anschließenden Antworten an Abgeordnete machen die Verhandlungen nach Einschätzung von EU-Vertretern “noch schwieriger, als sie ohnehin schon sind”. Barnier sagte in Luxemburg am Rande eines Ratstreffens, man werde die Gespräche mit London in den nächsten Wochen ruhig und ernsthaft weiterführen, um zu einer umfassenden Lösung zu kommen. EU-Ratspräsident Donald Tusk forderte von May konkrete neue Vorschläge, um die Blockade bei den Verhandlungen zu durchbrechen. Der Stand der Gespräche gebe kaum Anlass zu Optimismus, sagte er. “Neben gutem Willen brauchen wir neue Fakten.”Ob es damit zu einem Brexit-Sondergipfel Mitte November kommen wird, ist weiterhin unklar. Tusk hatte eigentlich einen Sondergipfel nur dann in Aussicht gestellt, wenn es in dieser Woche schon grundsätzliche Verständigungen gibt. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker forderte gestern noch einmal in drastischen Worten, alles zu tun, um ein No-Deal-Szenario zu verhindern “Ich hätte gern ein Abkommen, weil kein Abkommen heißt: Katastrophe”, betonte er.Die Bundesregierung lehnte unterdessen Zugeständnisse an London, die eine Einigung erleichtern würden, erneut ab. Man habe den Eindruck, Theresa May sei durch den Parteitag der Tories zu Monatsbeginn eher gestärkt worden, sagte ein Regierungsvertreter in Berlin. “Ich sehe nicht, dass wir inhaltlich Zugeständnisse machen sollten.” Es gebe auch keinerlei Indizien dafür, dass die bisherige Einigkeit in der EU-27 auseinanderbrechen werde.Dies bedeutet unter anderem, dass es ohne eine Verständigung über die künftige irisch-nordirische Grenze kein Austrittsabkommen gibt. Die EU-27 will hier auch eine rechtlich abgesicherte Auffanglösung (Backstop) haben, für den Fall, dass die Verhandlungen über die künftigen Beziehungen scheitern.In der Wirtschaft wächst unterdessen der Unmut über die anhaltende Unsicherheit. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) verwies auf die Bedeutung der Übergangsphase. Für die Unternehmen sei diese Zeit “unverzichtbar”, erklärte Hauptgeschäftsführer Joachim Lang. Erst dadurch werde es möglich, sich auf die vielfältigen Änderungen des Rechtsrahmens für die Zeit danach einzustellen. Und realisierbar sei eine solche Übergangsfrist, in der das Vereinigte Königreich weiterhin in der Zollunion und im Binnenmarkt bleibe, nur mit einem Austrittsabkommen.Auch andere Wirtschaftsverbände hatten in den vergangenen Tagen noch einmal ausdrücklich vor einem No-Deal-Szenario gewarnt. Unter anderem hatte der europäische Kapitalmarktverband AFME in einem Schreiben EU-Kommissionsvize Valdis Dombrovskis aufgefordert, mit der Industrie zusammen Lösungen zu suchen, die im Falle eines No Deals aktiviert werden könnten.