IM INTERVIEW: KLAUS BAUKNECHT

"Keine positiven Impulse nötig"

IKB-Chefvolkswirt sieht ausreichend Eigendynamik der Industrie für Belebung

"Keine positiven Impulse nötig"

Die deutsche Industrie gilt seit langem als Sorgenkind der deutschen Wirtschaft. Zuletzt veröffentlichte Stimmungsindikatoren zeigen allerdings Lichtblicke für die stark exportorientierte Branche und auch sonst gibt es Gründe für Zuversicht. Im Interview der Börsen-Zeitung erläutert IKB-Chefvolkswirt Klaus Bauknecht seinen Optimismus. Herr Bauknecht, das deutsche verarbeitende Gewerbe steckt seit längerem in der Rezession fest. Der Produktionsrückgang verläuft deutlich ausgeprägter als in anderen Industrieländern, wo die Fertigung bereits wieder anzieht. Im Gegensatz zu vielen Ökonomen sind Sie recht positiv für die hiesige Industrie gestimmt. Inwiefern?Insbesondere der doch deutliche Einbruch der Automobilindustrie gibt dem aktuellen Industriezyklus eine gewisse Abnormalität. Doch trotz des Verweises auf Sonder- und Struktureffekte verläuft die aktuelle Abschwungphase zwar etwas stärker, aber nicht bedeutend anders als in anderen Rezessionen. Ein Verweis auf die Finanzkrise 2008 / 09 ist angesichts des damaligen Industrieeinbruchs mit monatlichen Veränderungsraten von -20 % völlig unangebracht. Die deutsche Industrie verfügt über ausreichend zyklische Eigendynamik für eine Belebung. Frühindikatoren haben zuletzt die Hoffnung auf eine Bodenbildung der deutschen Wirtschaft geschürt. Der Einkaufsmanagerindex verharrt allerdings weiter auf niedrigem Niveau . . .. . . was aber angesichts der aktuellen und zu erwartenden Nachfragedynamik nicht haltbar ist. Der Nachfrageverlauf bekräftigt vielmehr die Einschätzung einer Wende bzw. Festigung der Wachstumsdynamik – für das Bruttoinlandsprodukt (BIP) und die Industrieproduktion. Die Nachfrage der deutschen Wirtschaft hat sich im dritten Quartal 2019 als robuster erwiesen, als das schwache BIP-Wachstum von 0,1 % vermuten lässt. Der gesamtwirtschaftliche Bedarf wurde vor allem durch den Abbau von Lagerbeständen und nicht durch Ausweitung der Produktion bedient. Das Ifo-Geschäftsklima, das im November leicht gestiegen ist, stützt zudem die Erwartung einer Stabilisierung der Angebotsseite der deutschen Wirtschaft. Ich erwarte für 2020 ein kalenderbereinigtes BIP-Wachstum von 0,8 % bzw. unbereinigt von knapp über 1 %. Viele fordern mit Blick auf die schwächelnde Wirtschaft, die ja vor allem von der Entwicklung der stark exportlastigen Industrie gebremst wird, ein groß angelegtes Konjunkturpaket der Bundesregierung. Die Bundesbank und die Wirtschaftsweisen etwa wenden sich ausdrücklich gegen solch ein staatlich finanziertes Programm. Wie sehen Sie das?Ein Konjunkturpaket ist nicht nötig. Die Industrie steht kurz vor der Bodenbildung und wir erwarten auch ohne positive Impulse eine Erholung im Verlauf des Jahres 2020. Dann dürfte die Fertigung um etwa 1 % ausgeweitet werden. Worauf stützen Sie diese Prognose?Wie wir in einer Studie zeigen, beruht der deutsche Produktionsrückgang in den Jahren 2018 und 2019 etwa zur Hälfte auf negativen lokalen wie globalen Impulsen. Im vergangenen Jahr hätte das Produktionswachstum bei 3 % liegen sollen; erreicht wurden aber nur 1,2 %. In diesem Jahr hätte sich dem Modell zufolge ein Produktionsrückgang in Höhe von -2 % ergeben. Das Minus wird aber wohl bei 4 % liegen, es wäre also auch ohne Sondereffekte zu einem Rückgang gekommen. Der konjunkturbedingte Verlauf der deutschen und globalen Industrieproduktion deutet auf eine Stabilisierung in den kommenden Monaten und auf eine moderate Erholung im kommenden Jahr hin. Zu den Sondereffekten zählen die derzeit oft zitierten “üblichen Verdächtigen”?Ja, die negativen Impulse stammen aus den Handelskonflikten, dem unsicheren Brexit-Ausgang und den strukturellen Problemen in der deutschen Automobilindustrie. Woher könnten positive Impulse kommen?Zuerst einmal ist festzuhalten, dass es keine positiven Impulse benötigt, um ein Wachstum von ca. 1 % zu erreichen – hierfür reicht die aktuelle Konjunkturdynamik in der Industrie. Positive Impulse könnten aus Großbritannien kommen, da die deutschen Exporte im Vorfeld des Brexits bereits deutliche Einbußen hinnehmen mussten und ein koordinierter Brexit zu einer Gegenbewegung führen könnte. Auch scheinen sich China und die USA im Handelskonflikt anzunähern. Entscheidend ist, dass für beide Länder im Jahr 2020 ein stabiles, wenn auch nicht unbedingt berauschendes Wachstum erwartet wird. Dies sollte die Erholung des globalen Industriezyklus fördern. Die Fragen stellte Alexandra Baude.