Geldpolitik

Kerninflation ist nicht der beste Indikator

Die EZB hat 11 Indikatoren für den zugrundeliegenden Preisdruck untersucht. Sie kommt dabei zu dem Schluss, dass es bessere als die Kerninflation gibt.

Kerninflation ist nicht der beste Indikator

Kerninflation ist nicht der beste Indikator

Die Europäische Zentralbank untersucht Methoden zur Vorhersage des zugrundeliegenden Preisdrucks

mpi Frankfurt

Für die Europäische Zentralbank (EZB) spielt bei der Steuerung ihrer Geldpolitik weniger eine Rolle, wie hoch die Inflationsrate derzeit liegt, als wie sich die Teuerung mutmaßlich in der Zukunft entwickelt. Ein dafür von Ökonomen und Medien viel angeführter Indikator ist die Kerninflation, bei der die schwankungsanfälligen Lebensmittel- und Energiepreise ausgeklammert sind. Die Kernrate in der Eurozone ist in diesem Jahr bislang anders als die Gesamtrate nicht gesunken und lag im Juli bei 5,5%.

Doch die Kernrate ist nur einer von mehreren Indikatoren, die die EZB beobachtet, um den zugrundeliegenden Preisdruck zu schätzen. Und sie ist nicht die beste – zu diesem Ergebnis kommt die EZB in einer am Freitag veröffentlichten Analyse. Die Notenbank hat sich elf verschiedene Indikatoren angeschaut und berechnet, wie gut diese die Inflation in einem Zeitraum von 24 Monaten vorhersagen können. Das Ergebnis: Alle schneiden besser ab als die Gesamtrate der Inflation, die Kernrate landet bei den elf Indikatoren aber nur im hinteren Mittelfeld.

Die geringsten Prognosefehler weisen die drei Größen PCCI, „inländische Inflation“ und HICPXX aus. Der HICPXX klammert nicht nur die Inflation von Energie und Lebensmitteln aus, sondern auch die von Flugreiseartikeln, Bekleidung und Schuhen. Bei der inländischen Inflation fallen im Vergleich zur Kerninflation alle Produkte raus, deren Importintensität 18% überschreitet. Beim PCCI (Persistent and Common Component of Inflation) werden gemeinsame und dauerhafte Komponenten aller Positionen aus dem Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) aus zwölf Ländern des Euroraums extrahiert und in einem Faktormodell analysiert.

Höhepunkt überschritten

EZB-Direktor Fabio Panetta hatte am Donnerstag Kritik an der Kernrate als Indikator für die Inflationsentwicklung geäußert. „Die heutige Kerninflation sagt uns nicht viel darüber, wo sich die Gesamtinflation mittelfristig einpendeln wird“, sagte er in Mailand. Bei der Kernrate würden sich jetzt die Auswirkungen der früher hohen Energiepreise auf andere Produktpreise zeigen.

EZB-Chefökonom Philip Lane sagte am Freitag in einem Podcast, dass es derzeit schwierig sei, den zugrundeliegenden Preisdruck zu schätzen. Er zeigt sich dennoch zuversichtlich, dass dieser in der Eurozone „später in diesem Jahr deutlich nachlassen dürfte“.

Zu diesem Schluss kommt auch die EZB-Analyse. „Die zugrundeliegende Inflation dürfte im ersten Halbjahr 2023 ihren Höhepunkt erreicht haben“, doch obwohl die meisten Indikatoren Anzeichen einer Entspannung zeigen, „bleibt sie insgesamt hoch“, schrieb die EZB. Der beobachtete Trend stimmt „im Großen und Ganzen“ mit den Juni-Prognosen der Notenbank zur Inflationsentwicklung überein.

Die EZB-Analyse empfiehlt für die Steuerung der Geldpolitik, die Verfolgung des zugrundeliegenden Preisdrucks durch eine genaue Überwachung der eingehenden Daten zu Löhnen, Gewinnen und Inflationserwartungen zu ergänzen.

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