Kleinere Irritationen auf den letzten Metern
Von Andreas Heitker, BrüsselEs ist das größte und bedeutendste Freihandelsabkommen, das die EU jemals abgeschlossen hat. Wenn der Deal mit Japan wie geplant im ersten Quartal 2019 in Kraft tritt, wird damit ein Handelsraum für über 600 Millionen Menschen geschaffen. Fast 40 % des Welthandels und rund ein Drittel der weltweiten Wirtschaftsleistung werden einbezogen. Und Jefta (Japan-EU Free Trade Agreement) hat damit zugleich auch eine nicht zu unterschätzende symbolische Bedeutung. Es ist ein nachdrückliches Statement beider Vertragspartner für einen multilateralen, regelgestützten, fairen und freien Welthandel.Ein letzter Schritt im Ratifizierungsprozess fehlt aber noch: In der kommenden Woche muss noch das EU-Parlament grünes Licht geben. Am Dienstag wird in Straßburg debattiert, am Mittwoch abgestimmt. Und obwohl es um ein Vorzeigeabkommen Brüssels geht, in dem zahlreiche Nachhaltigkeits- und Sozialstandards eingebaut und die üblicherweise immer sehr umstrittenen Investitionsschutzaspekte zunächst ausgeklammert wurden, kommt aus gleich mehreren politischen Richtungen wieder Kritik auf. Auch die Sozialdemokraten – immerhin die zweitgrößte Fraktion im EU-Parlament – sind noch immer nicht zufrieden. Der SPD-Politiker Bernd Lange, der Vorsitzende des Handelsausschusses, hat deshalb dem japanischen Ministerpräsidenten Shinzo Abe noch einmal einen Brief geschrieben und verlangt, dass Japan die zwei Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) ratifiziert, die im Land noch nicht gelten. Dabei geht es um die Abschaffung von Zwangsarbeit und Regeln gegen Diskriminierung im Arbeitsleben. “Wir wollen ein klares Commitment von japanischer Seite, damit wir Jefta zustimmen können”, sagt Lange. In Tokio zeigte man sich arg irritiert.Auch Lange stellt klar, dass das Ziel auf jeden Fall sei, das Freihandelsabkommen noch vor der Europawahl durchzuwinken. Aber auch wenn es eigentlich schon im Februar in Kraft treten soll, sieht er aktuell noch “keinen Zeitdruck” im noch ausstehenden Ratifizierungsschritt.Auch in anderen Fraktionen ist man noch nicht zufrieden. Der Handelsexperte der Linken, Helmut Scholz, kritisierte noch in dieser Woche unter anderem, dass die EU-Kommission Japan einen gleichwertigen Datenschutz bescheinigt und den japanischen Konzernen damit den Weg für ungehinderten Datenhandel ebnet. Zudem entscheide über die Regulierung von Finanzdienstleistungen künftig “ein Gremium aus Beamten in einem Hinterzimmer”. Scholz fragt, welcher wirtschaftliche Erfolg diesen Abbau an demokratischer Kontrolle rechtfertige.Die CDU-Handelsexpertin Godelieve Quisthoudt-Rowohl kann solche Einwände nicht nachvollziehen. Die symbolische Wirkung von Jefta sei viel wichtiger als die nackten Zahlen über den künftigen EU-Japan-Handel, betonte sie. “Die EU muss zeigen, dass sie noch handlungsfähig ist und dass sie in ihrer Handelspolitik auf Kontinuität setzt.” Zudem hätten auch die USA nicht alle IAO-Standards ratifiziert.Sollte das Freihandelsabkommen tatsächlich in Kraft treten, wird es die EU-Exporte nach Japan geschätzt um ein Drittel erhöhen. Allein an Zöllen geht es um rund 1 Mrd. Euro pro Jahr, die sich europäische Unternehmen sparen werden.Aber selbst wenn das EU-Parlament am Mittwoch grünes Licht gibt, sind die Diskussionen um Jefta noch nicht beendet. Marianne Grimmenstein, eine Musiklehrerin aus Lüdenscheid, hat vor wenigen Tagen angekündigt, Verfassungsbeschwerde gegen das Abkommen und das Ratifizierungsverfahren einzulegen. Eine entsprechende Petition von ihr im Internet hatten zuvor mehr als 7 500 Menschen unterzeichnet.