Koalition diskutiert noch über Delisting
wf Berlin – Über die Ausgestaltung des Abfindungsangebots von Aktionären beim Delisting eines Börsenwertes ist in Berlin noch nicht das letzte Wort gesprochen. Dies wurde während der öffentlichen Anhörung des Bundestagsfinanzausschusses zur Umsetzung der EU-Transparenzrichtlinie deutlich. Die Ergebnisse der Sachverständigenbefragung dürften zwischen den Finanz- und Rechtspolitikern der schwarz-roten Koalition in den nächsten Tagen noch intensiv diskutiert werden. Anfang Oktober soll der Gesetzentwurf im Bundestag abgeschlossen sein.Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) und die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) lehnen die derzeit geplante Regelung zur Abfindung der Aktionäre beim Rückzug eines Unternehmens von der Börse, dem sogenannte Delisting, ab. Markus Kienle, Sprecher der SdK, bezeichnete sie als “absolut unzureichend”. Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer der DSW, drang mit Blick auf sich abzeichnende Übernahmen zwar auf eine zügige gesetzliche Regelung – zugleich warnte er davor, dass sich Fälle von Unternehmensübernahmen häufen werden, wenn es bei der aktuell geplanten Fassung bleibe.Börsennotierte Gesellschaften können sich seit der Frosta-Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2013 vom regulierten Börsenhandel zurückziehen, ohne ihre Aktionäre in der Hautversammlung fragen oder ihnen eine Abfindung zahlen zu müssen. Der Entwurf der schwarz-roten Koalition zum Delisting, der erst in der vergangenen Woche bekannt geworden war, sieht eine Änderung des Börsengesetzes vor. Danach sollen Anleger nur dann eine Entschädigung erhalten, wenn dem Delisting ein Übernahmeangebot vorausgegangen ist. Die Abfindung soll sich am durchschnittlichen inländischen Börsenkurs der letzten drei Monate vor Veröffentlichung des Angebots oder der Kontrollerlangung – also nach dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) – richten.Ob es überhaupt einer gesetzlichen Regelung bedarf, ließ indessen das Deutsche Aktieninstitut (DAI) offen. Vor allem müsse die Attraktivität des deutschen Kapitalmarktes erhalten bleiben, so das DAI. Wenn sich der Gesetzgeber aber zu diesem Schritt entscheide, seien die vorgelegten Kernelemente “richtig”. Entscheidend sei ein schlankes Verfahren für die Unternehmen sowie Rechtssicherheit für die Börsen, so dass sie den Wert vom Kurszettel nehmen dürfen, ohne sich vor dem Verwaltungsgericht wiederzufinden.Die Aktionärsschützer dringen indessen auf eine Abfindung, die sich am Ertragswert des Unternehmens orientiert und losgelöst von einer Übernahme ist. Der Börsenkurs sei als Maßstab ungeeignet, da die Ankündigung eines Delistings den Kurs massiv drücke. Die SPD kündigte nach der Anhörung an, sie werde sich in den parlamentarischen Beratungen für eine spürbare Verbesserung des Anlageschutzes einsetzen. Für Christian Petry, Berichterstatter im Finanzausschuss, und Dr. Johannes Fechner, Rechtspolitischer Sprecher, muss sich ein “faires Abfindungsangebot” am Ertragswertverfahren orientieren. Schwere SanktionenDie Umsetzung der EU-Transparenz-Richtlinie ist für eine Regelung der Aktionärsrechte beim Delisting nur ein Vehikel. Eigentlich geht es in der Richtlinie um die Änderung von Meldepflichten bei Aktiengeschäften und schärfere Sanktionen beim Verstoß dagegen. Die Deutsche Kreditwirtschaft lehnt es ab, dass bereits der Kauf von Aktien und nicht der Übergang der Wertpapiere künftig eine Meldepflicht auslösen soll. Dies widerspreche dem deutschen Zivilrecht. Kritisiert wurde von verschiedenen Verbänden auch die mögliche Sanktion des Stimmrechtsverlusts bei Verstößen. Dies habe weiter reichende Folgen, da nicht nur das Stimmrecht, sondern etwa auch Dividenden- oder Bezugsrechtsansprüche verloren gingen. Diese Sanktion solle auf schwerwiegende Fälle beschränkt werden, regte der Deutsche Anwaltsverein an. Was schwerwiegend sei, könne die Finanzaufsicht BaFin feststellen.