Kommunen drehen an Steuerschraube

EY: Zwei-Klassen-Gesellschaft ist längst Realität - Grundsteuer steigt kräftig

Kommunen drehen an Steuerschraube

ge Berlin – Viele deutsche Kommunen drehen an der Steuerschraube. Allein 14 % der hiesigen Städte und Gemeinden haben im ersten Halbjahr 2016 die Grundsteuer erhöht, weitere 12 % haben in diesen sechs Monaten die Gewerbesteuer angehoben. “Wir erleben eine Welle von Steuererhöhungen, vor allem in Ländern mit einer großen Zahl finanzschwacher Kommunen”, beobachtet Bernhard Lorentz, Leiter des Bereichs Government & Public Sector für die deutschsprachigen Länder bei der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY (Ex-Ernst & Young).Kommunen, die finanziell mit dem Rücken zur Wand stünden, hätten ihre Angebote bereits auf das gesetzliche Minimum reduziert – “da bleiben vielfach nur noch Steuererhöhungen, um den strukturellen Defiziten entgegenzuwirken”.Entsprechend habe im ersten Halbjahr 2016 fast jede zweite Kommune (47 %) in Nordrhein-Westfalen die Grundsteuer erhöht, listet die “Kommunenstudie 2017” von EY auf. Im Saarland verlangten sogar zwei Drittel der Kommunen von den Hauseigentümern mehr Geld. In Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt sowie Thüringen schraubte dagegen weniger als jede zehnte Kommune den Hebesatz nach oben.Summa summarum beobachtet Lorentz, dass reiche und arme Kommunen immer weiter auseinanderdriften. Kurzfristig führten höhere Gewerbe- und Grundsteuerhebesätze zwar zu einem Einnahmeplus. Auf lange Sicht könnten sich solche Maßnahmen aber als Bumerang erweisen, fürchtet der EY-Experte – “die Gemeinde verliert an Attraktivität, Unternehmen könnten abwandern, Neuansiedlungen von Unternehmen werden unwahrscheinlicher”. Finanzstarke Kommunen könnten dagegen Unternehmen und Bürger mit niedrigen Steuersätzen locken. “Die Zwei-Klassen-Gesellschaft ist längst Realität”, urteilt Lorentz. Hessen hintenAuf Länder aufgeteilt sind hessische Kommunen einsame “Spitzenreiter”. Mit einem Plus von 50 % in den Jahren 2011 bis 2016 haben die dortigen Städte und Gemeinden ihre durchschnittlichen Hebesätze zur Grundsteuer B so massiv angehoben wie in keinem anderen Bundesland. Auch die Gewerbesteuerhebesätze wurden mit 13 % in Hessen so umfangreich hochgedreht wie sonst nirgends. In absoluten Werten liegen die Grund- und Gewerbesteuerhebesätze aber in Nordrhein-Westfalen am höchsten.Generell ist laut EY überall zu beobachten, dass die Gewerbesteuer mit “nur” 21 % seit 2010 weniger stark gestiegen ist als die Grundsteuer, die im gleichen Zeitraum um 42 Prozentpunkte zulegte. Lorentz erklärt diese Differenz damit, dass sich vor Ort beschäftigte Bürger als Eigenheimbesitzer oder Mieter nicht wehren könnten, während Betriebe andere Gestaltungsmöglichkeiten hätten und mobiler seien. Wichtige GewerbesteuerInsgesamt war die Gewerbesteuer mit nahezu 35 Mrd. Euro im Jahr 2015 die wichtigste Einnahmequelle der Städte und Gemeinden. Der kommunale Anteil an der Lohn- und Einkommensteuer summierte sich auf 32,5 Mrd. Euro. Drittwichtigste Steuerquelle war die Grundsteuer B mit 11,4 Mrd. Euro. Allein diese drei Abgaben deckten fast 95 % aller kommunalen Steuereinnahmen. Dabei sind die letztgenannten Steuern deutlich stabiler als die von der Konjunktur abhängige Gewerbesteuer.