Kompromissbereit - aber ohne Zugeständnisse

Mauerbau und Handelspolitik stehen im Mittelpunkt von US-Präsident Trumps Rede zur Lage der Nation

Kompromissbereit - aber ohne Zugeständnisse

Von Peter De Thier, WashingtonIn seiner zweiten Rede zur Lage der Nation hat US-Präsident Donald Trump seine Landsleute erneut zur Einigkeit aufgerufen. Unterm Strich handelte es sich bei dem rund 80 Minuten langen Auftritt aber um eine politische Rede, die Trumps Basis bei Laune halten sollte und auf die Präsidentschaftswahl 2020 abzielte. Denn obwohl der durch den Shutdown geschwächte Präsident von Zusammenarbeit und Kompromissbereitschaft sprach, wollte er selbst keine Zugeständnisse machen.Unübersehbar waren die gravierenden Veränderungen, die sich seit den Kongresswahlen in der politischen Landschaft der USA vollzogen haben. 2018 waren hinter Trumps Podium zwei republikanische Parteifreunde platziert – Vizepräsident Mike Pence und Mehrheitsführer Paul Ryan. An Ryans Platz saß nun aber dessen unverwüstliche Nachfolgerin Nancy Pelosi, die Demokratin, die praktisch jedem Gesetzesvorhaben Trumps den Kampf angesagt hat. Viel Lob – für sich selbstTrump stimmte einen versöhnlichen Ton an. Republikaner und Demokraten sollten nicht “als zwei Parteien regieren, sondern als eine Nation”. Nur so sei es möglich, Amerikas “unbegrenztes Potenzial” zu erschließen: etwa mehr Jobs zu schaffen, die marode Infrastruktur zu verbessern, die außer Kontrolle geratenen Preise für Medikamente in den Griff zu bekommen und die Grenzsicherheit zu verbessern. In der Tat zählen Infrastrukturinvestitionen sowie der Kampf gegen überhöhte Pharmapreise zu den wenigen Bereichen, wo Kompromisse mit den Demokraten denkbar sind.Nicht nehmen lassen wollte Trump sich auch die Gelegenheit, politische Errungenschaften aufzulisten und jene Erfolge für sich in Anspruch zu nehmen, die nur teilweise ihm anzurechnen sind – wie etwa das solide Wirtschaftswachstum sowie die 5,3 Millionen neuen Jobs, die seit seinem Amtsantritt geschaffen wurden. Gebremst werden könnte Amerikas “Wirtschaftswunder” nur “durch törichte Kriege oder lächerliche, parteipolitisch motivierte Ermittlungen”, sagte er und richtete damit eine kryptische Warnung an politische Gegner ebenso wie Sonderermittler Robert Mueller.Bald wurde aber klar, worum es dem Präsidenten wirklich ging, nämlich den versprochenen Bau einer Grenzmauer. An der Grenze zum südlichen Nachbarn sei eine “nationale Krise” ausgebrochen, und “große, organisierte Migrantenkarawanen sind im Anmarsch”. So verzerrte er ein weiteres Mal die Fakten. “Mauern funktionieren, Mauern retten Leben!”, warb Trump um Unterstützung für ein Projekt, welches bei den Demokraten, die angesichts der Kräfteverschiebung im Kongress nun zustimmen müssen, aber chancenlos bleibt.Eine Gefahr für den “unglaublichen wirtschaftlichen Erfolg” der USA sieht Trump in “Jahrzehnten unheilvoller Handelspolitik”. Einen scharfen Ton schlug er folglich gegenüber China an. Einen Schlussstrich habe er gezogen unter eine lange Ära, in der “China amerikanische Industrien im Visier hatte und geistiges Eigentum sowie amerikanische Jobs und amerikanischen Wohlstand gestohlen hat”. Folglich habe er keine andere Wahl gehabt, als Zölle auf Waren aus China im Wert von 250 Mrd. Dollar zu verhängen. Gleichwohl gab sich Trump optimistisch, dass die laufenden Gespräche, die nächste Woche in Peking fortgesetzt werden sollen, zu einer Einigung führen können (siehe Bericht oben auf dieser Seite).Der Präsident wetterte gegen “die Katastrophe Nafta” und forderte den Kongress auf, das mit Mexiko und Kanada gezimmerte Nachfolgeabkommen abzusegnen. Dieses würde weitere Arbeitsplätze schaffen und sicherstellen, dass “mehr Autos mit den schönen Wörtern Made in the U.S.A.” versehen würden. Genehmigen solle das Parlament zudem ein Gesetz, welches den Präsidenten ermächtigen würde, gegen Partnerländer, die Einfuhrzölle gegen Importe aus den USA eingeführt haben, eigenhändig Vergeltungszölle in gleicher Höhe anzuordnen.Vergleichsweise wenig Raum widmete der Präsident diesmal der Außenpolitik. Wie erwartet kündigte er für Ende Februar das zweite Gipfeltreffen mit Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un an. Er verteidigte den geplanten Rückzug aus Syrien ebenso wie den Ausstieg aus dem INF-Vertrag und lobte den Aufbau des eigenen Militärs. Für den Rüstungsetat seien 2018 700 Mrd. Dollar ausgegeben worden, und 2019 seien weitere 716 Mrd. Dollar vorgesehen. Auch wetterte er gegen internationale Bündnisse, etwa die Nato.