DIE DIGITALE ÖKONOMIE

Konfliktlinie Privat gegen Staat

US-Technologiekonzerne fürchten weniger den Argwohn ihrer Anwender als die Neugier der Regierung

Konfliktlinie Privat gegen Staat

Von Sebastian Schmid, New YorkIn Europa werden amerikanische IT-Konzerne wie Apple, Google, Microsoft oder Facebook seit jeher kritischer unter die Lupe genommen. Das liegt nicht etwa in erster Linie am Firmensitz der Gesellschaften, sondern an einer gänzlich unterschiedlichen Einstellung der Bürger zum Thema Datenschutz. Das Misstrauen der US-Amerikaner richtet sich historisch bedingt noch immer primär gegen die Regierung. Google, Facebook oder Newcomer wie der Taxidienst Uber können derweil weitgehend widerstandsfrei immer neue Vorstöße in die Privatsphäre starten, ohne den Argwohn der Anwender fürchten zu müssen.Damit auch in der US-Hauptstadt Washington nicht allzu viel Kritik aufflammt, wird von der Branche allerdings auch viel in politische Kampagnen investiert. Der US-Finanzindustrie hängt zwar der Ruf nach, sich Politiker im Kongress mit hohen Spenden gefügig zu machen. Die Technologiebranche steht dem indes kaum nach. So hat Google über ihre Lobbymaschine Netpac in den ersten neun Monaten des Jahres knapp 1,45 Mill. Dollar in politische Kampagnen investiert – mehr als die politisch gut vernetzte Investmentbank Goldman Sachs. Microsoft hat sogar 1,78 Mill. Dollar ausgegeben. Facebook kam auf knapp 400 000 Dollar.Die Summen erscheinen zunächst gering. Allerdings gibt es starke Beschränkungen, wie viel Unternehmen bei einzelnen Wahlen spenden dürfen. Zudem hat Google über ihr “Political Action Committee” Netpac die Spenden von 2010 bis 2014 deutlich hochgefahren. Bei den damaligen Kongresswahlen hatte Goldman Sachs noch dreimal so viel ausgegeben wie der Internetsuchdienst. Republikaner bevorzugtDabei wird weitgehend nach Stimmungslage der Bevölkerung investiert. Obwohl Belegschaft und IT-Konzernführung generell eher den liberalen Ideen der Demokraten anhängen, spendeten Microsoft, Google und Facebook jeweils etwas mehr an die konservativen Republikaner – offenbar in Erwartung von deren Wahlsieg. Apples Mitarbeiter haben indes deutlich mehr an die Demokraten gespendet. Bei den Kongresswahlen 2010 war den Demokraten auch von den Unternehmen noch mehr gespendet worden. Die Investitionen in politische Kampagnen dürften künftig weiter steigen. Zum einen, weil der Supreme Court die Spendenobergrenze für Einzelpersonen gekippt hat. Zum anderen, weil der Kampf um die Datenhoheit erst am Anfang steht. Der schon heute unglaublich anmutende Daten-Tsunami, den Konzerne wie Google, Amazon oder Facebook auszuwerten versuchen, soll noch bedeutend anwachsen. Der Netzwerkausrüster Cisco rechnet damit, dass sich das mobile Datenvolumen dank der wachsenden Verbreitung schneller mobiler Netze und von Smartphones sowie anderen vernetzten Geräten allein bis 2018 versechsfachen wird. Vom globalen Datenaufkommen sollen dann aber nicht einmal 20 % aus den USA stammen.Dass Internetkonzerne wie Google, Facebook oder Twitter die Datenflut zumindest anonymisiert auswerten wollen, steht außer Frage. Apple-Chef Tim Cook hat dies unlängst einleuchtend erläutert. Bei einem kostenlosen Service müsse sich der Anwender eben klar darüber sein, dass er “nicht Kunde, sondern Produkt” sei. Damit sollte auch suggeriert werden, bei Apple sei dies anders. Obwohl sich die Aussage wohl auf den Apple-Rivalen Google bezog, schoss Facebook-Chef Mark Zuckerberg als Erster zurück. Wenn Apple ihre Kunden wichtig wären, würde der Konzern seine Geräte günstiger anbieten, so der 30-Jährige. Wegweisende KlageFest steht, dass sich praktisch alle US-IT-Konzerne seit dem NSA-Skandal um ihre internationale Reputation sorgen. Wie viel Zugang die Regierung erhalten soll, ist daher hart umkämpft. US-Justizminister Eric Holder macht seit Monaten Stimmung gegen Apple, Google und Microsoft wegen deren Smartphone-Verschlüsselungen, die angeblich einen Polizeizugriff verhindern. Microsoft lässt zudem in einem öffentlichkeitswirksamen Prozess gegen die US-Regierung klären, ob diese Daten einfordern kann, die auf ausländischen Servern Microsofts (etwa in Irland) liegen. Apple, Amazon und andere Technologiefirmen unterstützen den Softwarekonzern aus Redmond bei der Klage. Setzt sich die US-Regierung durch, müssten sie fürchten, dass internationales Geschäft künftig an ihnen vorbeigeht. Der so verstandene Datenschutz ist aus Sicht der US-Konzerne entscheidend für ihre weiteren Expansionschancen. Die Konfliktlinie verläuft in den Vereinigten Staaten nur nicht zwischen Bürgern und Firmen, sondern zwischen Privat und Staat.