ZEW-Konjunkturerwartungen

Konjunktursorgen werden immer größer

Finanzexperten sehen den Start der deutschen Wirtschaft ins dritte Quartal als verpatzt an: Die ZEW-Barometer zu Konjunkturlage und -entwicklung sind weiter in den roten Bereich gerutscht. Vor allem Industrie und Bau leiden unter der hohen Inflation , den steigenden Zinsen und der schwächelnden Weltwirtschaft.

Konjunktursorgen werden immer größer

Konjunktursorgen werden immer größer

ZEW-Barometer sinkt im Juli – Industrie und Bau trifft Konjunkturschwäche am stärksten

ba Frankfurt

Finanzexperten sehen den Start der deutschen Wirtschaft ins dritte Quartal als verpatzt an: Die ZEW-Barometer zu Konjunkturlage und -entwicklung sind weiter in den roten Bereich gerutscht. Vor allem Industrie und Bau leiden unter der hohen Inflation, den steigenden Zinsen und der schwächelnden Weltwirtschaft.

Die deutschen Anleger starten mit tiefen Sorgenfalten ins zweite Halbjahr: Ihr Bild der deutschen Konjunktur, aber auch das des gesamten Euroraums fällt im Juli so trübe aus wie zuletzt Ende des vergangenen Jahres. Steigende Zinsen, sich verschärfende Finanzierungskonditionen, die nur langsam rückläufige Inflation und die schwächelnde globale Konjunktur dämpfen die Aussichten. Nachdem nicht nur die jüngsten Stimmungsbarometer wie der Sentix-Konjunkturindex, sondern auch die Zahlen zu Produktion und Außenhandel schlechter als erwartet ausgefallen sind, erwarten Experten, dass sich die Winterrezession der deutschen Wirtschaft verlängert. Vor allem um Industrie und Bau kreisen die Sorgen.

Die ZEW-Konjunkturerwartungen sind im Juli nach einer leichten Erholung im Vormonat um 6,2 auf –14,7 Punkte gefallen. Auch die aktuelle Lage wurde schwächer eingeschätzt. Das entsprechende Barometer rutschte um 3,0 auf −59,5 Punkte ab. „Die ZEW-Konjunkturerwartungen verschieben sich noch deutlicher in den negativen Bereich”, kommentierte Achim Wambach, Präsident des ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung. Die 165 monatlich vom ZEW befragten Analysten und institutionellen Anleger würden bis Jahresende von einer weiteren Verschlechterung der konjunkturellen Lage ausgehen.

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Als wesentliche Ursache benannte Wambach die Erwartung weiter steigender kurzfristiger Zinsen im Eurogebiet und in den USA. Außerdem würden wichtige Exportmärkte wie China relativ schwach eingeschätzt. Während die ZEW-Umfrage für die USA einen Indikatorstand von −25,4 nach −24,0 Punkten meldet, verlieren die Analysten mit Blick auf das für die Wirtschaft wichtige China zusehends die Zuversicht, wie Bantleon-Ökonom Jörg Angelé betont. Das Barometer für China, das im Februar noch bei 52,3 Punkten lag, steht nach 21,8 Zählern im Juni nunmehr bei 12,9 Punkten.

Wie schon andere Stimmungsindikatoren wie das Ifo-Geschäftsklima oder der Einkaufsmanagerindex gezeigt haben, trifft die erwartete Verschlechterung der Konjunktur vor allem die Industriesektoren: “Die Ertragserwartungen dieser exportorientierten Branchen gehen abermals deutlich zurück“, mahnte nun auch ZEW-Präsident Wambach. Diese zeigten teils erheblichen Rückgänge – so ging der Indikator etwa für Stahl um 16,0 auf minus 48,3 Punkte zurück, im Bereich Chemie/Pharma um 9,4 auf −22,2 Punkte und bei Fahrzeugen um 8,4 auf −46,4 Punkte. Geringfügig verbessert, aber weiter düster sind die Aussichten für Konsum und Handel (−35,0 nach −36,2 Punkten).

Auch die Erwartungen für die Bauwirtschaft stecken weiter tief im negativen Terrain, auch wenn es eine leichte Stimmungsaufhellung gab mit −64,3 nach −68,2 Punkten. Hier machen sich weiter nicht nur die höheren Energie- und Materialkosten bemerkbar, sondern eben auch die anziehenden Finanzierungskonditionen. Diese führen teilweise zu Auftragsstornierungen oder lassen Projekte kleiner ausfallen, da diese sich so wie ursprünglich geplant mittlerweile nicht mehr lohnen. Wegen der hartnäckig hohen Teuerung dürfte die Europäische Zentralbank (EZB) auch auf ihrer Juli-Sitzung ihren beispiellosen Straffungskurs fortsetzen – was die Konjunktur zusätzlich bremsen wird, nachdem die Zinserhöhungen erst mit einer Nachlaufzeit von einigen Monaten auf die Realwirtschaft durchschlagen.

“Der Start ins laufende Quartal ist jedenfalls misslungen”, urteilt Alexander Krüger, Chefvolkswirt bei der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank. Die miserable Stimmung sei mehr als nur eine Laune und deute auf tiefergehende Ursachen hin. “Vor allem die schwache Weltwirtschaft, steigende Zinsen und der wachstumshemmende Politikkurs trüben den Ausblick”, sagte Krüger. “Es fehlt derzeit am nötigen positiven Impuls, der die Wirtschaft im zweiten Halbjahr wieder in Gang bringen könnte”, sagt auch Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank. Positiv wirkten derzeit “zumindest noch die wieder besser funktionierenden Lieferketten”, so dass die Industrie liegengebliebene Aufträge abarbeiten könne.

Die Ergebnisse der ZEW-Umfrage für den gemeinsamen Währungsraum zeigen ein ähnliches Bild wie für dessen größte Volkswirtschaft: So sind die Erwartungen an die Konjunkturentwicklung in der Eurozone um 2,2 Punkte geringfügig auf minus 12,2 Zähler gefallen. Der Lageindikator ging um 2,5 auf −44,4 Punkte zurück.

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