ANGST VOR DER ZINSWENDE

Konsolidierungserfolge gefährdet

Steigende Zinsen werden die Finanzierungskosten in die Höhe treiben - Realwirtschaft leidet

Konsolidierungserfolge gefährdet

Die von der US-Notenbank eingeleitete Zinswende wird über kurz oder lang auch zu steigenden Zinsen in der Eurozone führen. Das hat negative Folgen für die Staatshaushalte in der Währungsunion, macht viele Konsolidierungserfolge zunichte, verstärkt die Rezession in einigen Ländern und schwächt das Wachstum in allen anderen.Von Stephan Lorz, FrankfurtEs wird nicht schnell gehen, aber man wird es in der Eurozone zunehmend spüren, wenn die US-Notenbank wie bekundet aus der ultralockeren Geldpolitik aussteigt und mit der Zinswende Ernst macht. Dann wird auch im Eurogebiet der Preis für das Kapital steigen, weil immer mehr Investoren verlockendere Zinsangebote in Übersee wahrnehmen wollen. Das Versprechen der Europäischen Zentralbank (EZB) die Zinsen längerfristig auf niedrigem Niveau halten zu wollen (“forward guidance”), dürfte die Entwicklung nur abbremsen, denn auf dem Kapitalmarkt bestimmt vor allem das Verhältnis von Angebot und Nachfrage den Preis. Und wandern die Investoren ab, muss die versprochene Rendite eben klettern, damit Staaten ihre Schuldscheine loswerden können.Von den negativen Folgen einer solchen Entwicklung sind zunächst die Krisenstaaten in der Eurozone betroffen. Ihre laufende Zinslast ist bereits sehr groß (siehe Grafik) und wegen des hohen Schuldenstands sowie der nach wie vor nicht ausgeglichenen Staatshaushalte (siehe Tabelle) ist der jährliche Finanzierungsbedarf nominal und gemessen an der Wertschöpfung gigantisch. Höhere Zinsen würden dann im Jahr darauf unmittelbar durchschlagen.Für Italien würde ein Zinssprung um 2 Prozentpunkte gemessen an seinem Refinanzierungs- und Neuverschuldungsbedarf im Jahr 2014 wohl zusätzliche Zinskosten um die 6 Mrd. Euro verursachen. Das entspricht den Steuereinnahmen von bis zu 2 Prozentpunkten bei der Mehrwertsteuer. Laufzeiten entscheidenDie Zinswende schlägt umso stärker durch, je weitgehender sich die Staaten in – bislang zinsgünstigeren – Kurzläufern bzw. Geldmarktpapieren verschuldet haben. Das trifft etwa auf die großen Peripherieländer wie Italien und Spanien zu. Italien hat zudem noch variabel verzinste Anleihen in nennenswertem Umfang, berichtet David Schnautz, Analyst bei der Commerzbank.Und wird dann versucht, die höheren Zinskosten durch größere Sparanstrengungen zu kompensieren, kann das wiederum die Konjunktur kurzfristig erneut unter Druck setzen, was die Konsolidierung zusätzlich erschwert.Die Zinswende wird sich vor allem dann manifestieren, wenn die Marktakteure das Gefühl beschleicht, dass die Krisenländer immer tiefer in der Rezession versinken, sie ihre Schulden nicht mehr tragen können und die Bevölkerung weitere Reformen und Konsolidierungen blockiert. Bereits jetzt liegen Griechenland, Spanien, Italien und Frankreich hinter den verabredeten Zielen, was entsprechende Marktreaktionen provozieren könnte.Und Länder wie Portugal, Irland und Griechenland, die bisher durch die Eurorettungsfonds (EFSF/ESM) aufgefangen und vor Markteinflüssen geschützt werden, müssen sukzessive ab Ende 2014 wieder “marktgängig” werden. Bei steigenden Zinsen erscheint das so gut wie ausgeschlossen. Schon die bisherige Regelung halten viele Ökonomen für “ambitioniert” und erwarten eine Anschlussfinanzierung des ESM.Steigende Zinsen aber sind nicht nur ein Problem für die hoch verschuldeten Staaten, sondern treffen auch den ohnehin schon lädierten Bankensektor ins Mark. Zum einen müssen Banken, die Staatsanleihen ihres Heimatlandes halten, Verluste hinnehmen, wenn diese Anleihen mit hohen Risikoaufschlägen belegt sind und somit an Wert verlieren. Das schlägt dann negativ auf die Bilanz durch. Und werden Staatsanleihen hoch verzinst, müssen die Banken ihren Investoren ebenfalls mehr bieten, um an frisches Geld zu gelangen. Die Bankenkrise wird durch die Zinswende damit verschärft. Dass die EZB den Geldhäusern Liquidität für lau überlässt, kann nicht die ganze Wucht der Veränderung abfangen. Kreditvergabe stocktDie Zinswende hat aber auch negative Folgen für die Realwirtschaft. So dürften sich die Banken in den Eurokrisenländern noch stärker bei der Kreditvergabe zurückhalten. Für Unternehmen und Privathaushalte werden die Zinsen darum ebenfalls zulegen. Das erstickt die dringend benötigte Erholung in den Krisenländern. “Ein derart negativer Einfluss auf das Wachstum kann die erwarteten positiven Effekte von Haushalts- und Strukturreformen neutralisieren”, warnt denn auch die Stiftung Wissenschaft und Politik in einer Studie über den “Preis der hohen Zinsen”.Selbst kleine Zinsunterschiede hätten große Auswirkungen, schreiben die Autoren und pochen darauf, dass die Notenbanken sich noch stärker einschalten, um den Zinserhöhungsdruck zu lindern. Denn niedrige Zinsen würden es leichter machen, die Wirtschaft zu stabilisieren und einen Einbruch der Wirtschaftsleistung sowie einen Rückgang der Steuereinnahmen zu verhindern. Allerdings konnten die heutigen Krisenstaaten schon in den guten Zeiten der Versuchung niedriger Zinsen nicht widerstehen und hatten es versäumt, die Überhitzung einiger Sektoren zu stoppen und frühzeitig Reformen anzugehen.