Kostbares Auslandskapital
Es geschieht selten genug, dass die deutsche Industrie um mehr Druck durch Wettbewerb bettelt. Bei der staatlichen Prüfung von Auslandsinvestitionen in deutsche Unternehmen aber ist genau dies der Fall. Gesetzgeber und Bundesregierung sollte das nachdenklich stimmen. Denn dort sind die Verantwortlichen entschlossen, die Vorschriften sukzessive zu verschärfen. Sie wollen Investoren aus Ländern jenseits der EU-Grenzen genau unter die Lupe nehmen – und stoppen, wenn öffentliche Ordnung und Sicherheit hierzulande gefährdet sind. Fälle wie Kuka, Leifeld Metal Spinning oder 50Hertz beunruhigen die Bundesregierung. Auch die US-Regierung hatte Berlin aufgeschreckt, als sie einen Kandidaten für die Entwicklung eines Impfstoffs gegen Covid-19 dominieren wollte.Ein Beteiligungs- oder Übernahmeplan von Investoren aus den USA oder China endet damit womöglich künftig schneller in der Scharnhorststraße im Bundeswirtschaftsministerium. Die Coronakrise ist ein willkommener Anlass, um die angebliche Notwendigkeit solcher Eingriffe und die Verschärfung des gesetzlichen Regelwerks zu untermauern. Die aktuellen Rechtsnovellen betreffen sowohl das Außenwirtschaftsgesetz als auch die Außenwirtschaftsverordnung. Die Änderung der Verordnung hatte das Bundeskabinett erst vergangene Woche beschlossen. Diese tritt ohne weiteres parlamentarisches Verfahren mit Veröffentlichung in Kraft. Damit gehört nun auch der Gesundheitssektor zu einer Liste von Branchen, bei denen schon eine 10-Prozent-Beteiligung meldepflichtig ist und unter dem Vorbehalt der Freigabe durch das Wirtschaftsministerium steht. Andere betroffene Branchen sind etwa Betreiber kritischer Infrastruktur, Cloud Computing, Telekommunikation und Medien sowie Entwickler branchenspezifischer Software in Sektoren wie Energie, Wasser, Finanz- und Versicherungswesen, Krankenhausversorgung und Arzneimittelvertrieb, Transport oder Ernährung. Im Herbst soll die Kontrollmöglichkeit über Branchen wie künstliche Intelligenz, Robotik, Biotechnologie oder Halbleiter folgen.Die Novelle des Gesetzes wird laut Tagesordnung bereits an diesem Donnerstag abschließend im Bundestag gelesen. Sie setzt eine europäische Richtlinie in deutsches Recht um, geht aber zugleich darüber hinaus. Erst vor zwei Wochen hatte das Parlament Experten dazu angehört. Große Erkenntnisse scheint die Regierungskoalition daraus nicht gewonnen zu haben, obwohl Industrie, Familienunternehmer und die Start-up-Branche unisono vor einer weiteren Verschärfung gewarnt haben. Der Industrieverband BDI hatte seine Mitglieder eigens erneut im Licht der Coronakrise dazu befragt und blieb doch dabei, dass es falsch verstandene politische Sorge ist, Auslandsinvestitionen hierzulande stärker zu beschränken.Der Schritt wird mehr schaden als nutzen. Der offene Wirtschaftsstandort ist ein Markenzeichen Deutschlands und auch sein Erfolgsgeheimnis. Es erlaubt nicht nur, ausländische Finanzinvestoren für die heimische Wirtschaft zu interessieren, sondern ist auch die Rechtfertigung für – die ungleich größeren – Investitionen deutscher Unternehmen im Ausland. Beides beschert hierzulande Wohlstand. Die Selbstverständlichkeit, mit der CDU und CSU, SPD und auch die Grünen nun an diesen Grundfesten der Sozialen Marktwirtschaft rütteln, trifft die Wirtschaftsordnung ins Mark. Allein die FDP macht sich für Zurückhaltung stark. Unternehmer und Eigentümer werden in ihrer Handlungsfreiheit eingeschränkt.——Von Angela WefersDie sukzessive Verschärfung der Investitionsprüfung trifft unsere Wirtschaftsordnung ins Mark. Sie wird mehr schaden als nutzen.——