Krisenverursacher müssen die Kosten tragen - aber nicht so
Wie bei kaum einer anderen Steuerfrage wurde die Debatte um die Einführung einer Finanztransaktionssteuer stets auch als gesellschaftspo litische Grundsatzdiskussion geführt. Es ging immer um das große Ganze – um eine “Robin-Hood-Steuer”, um “Gerechtigkeitslücken” und schließlich um nichts weniger als den Gründungsmythos ganzer Lobbyorganisationen. Dann wurde die Steuer als Instrument zur Sicherstellung der Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte entdeckt, nämlich zur Vermeidung von Gefahren durch den computergestützten Hochfrequenzhandel. Das war aus Sicht hoch regulierter Börsen besonders verwunderlich. Schließlich halten alle Handelsplätze seit längerem technische Sicherungen bereit, und die neue europäische Wertpapieraufsicht ESMA hat längst spezielle Leitlinien erlassen. Endgültig ins Unermessliche stiegen die Erwartungen an die Steuer, als sie zur “Wachstumssteuer” ausgerufen wurde, zur ökonomischen Wunderwaffe bei der Sanierung von Staatshaushalten. Ausnahme für PrivatanlegerDie überspannten Erwartungen an die Wirkung einer Finanzsteuer haben die notwendige sachliche Debatte bislang verhindert. Mit der Grundsatzeinigung zwischen Regierung und Opposition eröffnet sich diese Chance nun. Über die konkrete Ausgestaltung wird zwar noch heftig gerungen. Eine durchaus sinnvolle Orientierung bietet allerdings die in den vergangenen Tagen vielfach wiederholte Forderung der Befürworter, die Verursacher der Krise an deren Kosten zu beteiligen.Dem ist zuzustimmen, denn eine besondere Besteuerung des krisenverursachenden Handels auf Schattenmärkten außerhalb der hoch regulierten Börsen erscheint ebenso zwangsläufig wie die Ausnahme der privaten Anleger. Diese haben die Finanzkrise nicht verursacht, sie beteiligen sich nicht an übermäßigen Spekulationen, sie entrichten bereits die Kapitalertragsteuer, und sie bestreiten ihre Investitionen aus Arbeitseinkommen, das der Lohnsteuer unterliegt. Steuerhöhe deutlich zu hochMit Letzterer stellen Privatanleger seit Langem eine der Hauptfinanzierungsquellen für Rettungsmaßnahmen in der Krise. Die oft zitierten Gerechtigkeitslücken bei der Krisenbewältigung lassen sich jedenfalls nicht durch eine Ausgestaltung der Transaktionssteuer als Finanzumsatzsteuer schließen. Deren Wesensart ist es ja gerade, dass der Endverbraucher sie allein trägt.In diesem Zusammenhang ist in der Debatte oft das Argument zu hören, mit der Inanspruchnahme der hohen Margen der Finanzindustrie könnte eine übermäßige Belastung der Anleger verhindert werden. So würden die Institute im Rahmen des Wettbewerbs Teile der Steuer übernehmen. Im Bereich des Betriebs von Handelsplätzen ist dies bei einer Steuerhöhe von 0,1 bzw. 0,01 % bei Derivaten – bezogen auf das Volumen bei Ausübung – jedoch unmöglich.Der oft als marginal bezeichnete Steuersatz der geplanten Finanzsteuer stellt vielmehr eine beispiellos hohe Belastung dar. Sie stünde in keinem Verhältnis zu dem Ertrag, der tatsächlich durch Transaktionsdienstleistungen erwirtschaftet wird. Erwirbt etwa ein Handelsteilnehmer an der Börse Stuttgart einen Fonds im Gegenwert von 50 000 Euro, so werden für diese Dienstleistung etwa 12 Euro zzgl. Umsatzsteuer berechnet. Zusätzlich wären nun 10 Basispunkte, also weitere 50 Euro, an Steuer zu entrichten. Die Steuerbelastung betrüge damit mehr als das Vierfache dessen, was für die Transaktionsdienstleistung selbst berechnet wird. Hier ist nicht einmal theoretisch Raum für eine Kompensation der Handelsteilnehmer im Rahmen des Wettbewerbs. Offensichtlich müsste der Steuersatz wesentlich geringer angesetzt werden.Besonderes Augenmerk verdienen darüber hinaus all diejenigen Dienstleistungen bei Wertpapiertransaktionen, die den Handel anderer überhaupt erst ermöglichen. Überall dort, wo ein Marktteilnehmer nicht selbst über Erwerb oder Veräußerung eines Finanzinstruments entscheidet, sondern nur deswegen handelt, weil ein anderer ihn zur Umsetzung seiner Handelsabsicht heranzieht, darf eine Transaktionsssteuer nicht greifen. Drohende Spaltung EuropasDas gilt für Liquiditätsspender, die funktionsfähige Wertpapiermärkte überhaupt erst gewährleisten, indem sie dann in das Geschäft eintreten, wenn für ein Handelsinteresse kein passender Gegenauftrag vorhanden ist. Gemeint sind also vor allem Market Maker, Spezialist, Designated Sponsor, Quality Liquidity Provider und Skontroführer, deren Entgelt ebenfalls nur im Bereich von bis zu zwei Basispunkten liegt.Eine Ausnahme für “handelsermöglichende” Dienstleistungen würde zudem eine drastische Aufsummierung entlang der Transaktionskette verhindern. Denn in der Praxis des Wertpapierhandels erreichen die Wertpapierorders der Anleger die Ausführungsplätze erst, nachdem oft mehr als zwei Intermediäre zwischengeschaltet wurden – übrigens ohne dass sich die Kosten ebenfalls aufsummieren würden.Selbst eine Berücksichtigung der genannten Punkte beantwortet die bislang völlig unzureichend diskutierte, aber äußerst zentrale Frage nach dem Risiko der wettbewerblichen Spaltung des gemeinsamen europäischen Wertpapiermarkts nicht. In der Europäischen Union wurde mit der Mifid ein für alle Mitgliedsstaaten einheitlich geltendes, wettbewerbssteuerndes Element verwirklicht – nämlich die Verpflichtung, Transaktionen ohne besondere Weisung grundsätzlich dort auszuführen, wo der Anleger die besten Ausführungspreise zu günstigsten Gebühren bekommt. Dies werden offensichtlich nicht mehr die Märkte in Mitgliedsstaaten mit Transaktionssteuer sein, da eine Ausführung dort stets um die Steuer teurer sein wird .—-Dr. Christoph Boschan ist Geschäftsführer der Baden-Württembergischen Wertpapierbörse. In dieser Rubrik veröffentlichen wir Kommentare von führenden Vertretern aus der Wirtschafts- und Finanzwelt, aus Politik und Wissenschaft.——–Von Christoph Boschan ——-Die geplante Finanztransaktionssteuer ist um ein Vielfaches teurer als der Börsenhandel selbst.