Kritik an Draghis Zaudern

Graduelle Korrektur der EZB-Rhetorik bezüglich möglicher Zinssenkungen geht Ökonomen nicht weit genug

Kritik an Draghis Zaudern

Die EZB tastet sich langsam an den Exit aus ihrer ultralockeren Geldpolitik heran. Am Donnerstag hat sie ihre Rhetorik leicht angepasst und die Zinssenkungsoption herausgenommen. Viele Ökonomen halten diese Vorgehensweise angesichts der auflaufenden Risiken für zu zaghaft.lz Frankfurt – Die EZB sieht erstmals seit sieben Jahren kein Übergewicht mehr bei den konjunkturellen Abwärtsrisiken. Entsprechend hält sie es nunmehr für unwahrscheinlich, dass die Leitzinsen nochmals gesenkt werden, und hat einen entsprechenden Passus aus ihrer Forward Guidance herausgenommen. Zugleich senkte sie aber die Inflationsprognosen für die kommenden Jahre und hält die Nullzinsen bzw. Negativzinsen vor diesem Hintergrund für angemessen. Sie betont sogar, dass diese “für längere Zeit und weit über den Zeithorizont des Nettoerwerbs von Vermögenswerten hinaus auf ihrem aktuellen Niveau bleiben werden”. EZB-Präsident Mario Draghi hat zudem mehrfach unterstrichen, dass die Anleihenkäufe vorerst im aktuellen Tempo fortgeführt und gegebenenfalls über das bisherige Enddatum hinaus (Jahreswechsel 2017/2018) beibehalten oder sogar noch ausgewertet werden können.”Die EZB bewegt sich im Kriechgang auf den Ausstieg aus ihrer lockeren Geldpolitik zu”, kommentiert der Chefvolkswirt der Berenberg Bank, Holger Schmieding. Ralf Umlauf von der Landesbank Hessen-Thüringen sprach von einem “weiteren Trippelschritt” und kritisierte die “zögerliche Wende der Geldpolitik”. Und Christoph Kutt von der DZ Bank stört sich daran, dass Draghi die Märkte “wie ein Puppenspieler” führt. Um zu verhindern, dass sie die Anpassung des Kommuniqués nicht als “weniger expansiv” missverstehen, habe Draghi die “homöopathische Reduktion der Wortwahl” mit einer Abwärtsrevision der Inflationsprojektion garniert, um alle “auf expansivem Kurs zu halten”.Auch der Bankenverband zeigte sich unzufrieden mit der Entscheidung der Zentralbank. “Die Europäische Zentralbank macht zwar erste Trippelschritte in Richtung Ausstieg aus der extrem expansiven Geldpolitik”, erklärt Michael Kemmer, Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes. Angesichts der positiven und stabilen Konjunkturentwicklung im Euroraum sowie der erkennbar stabilen Preisentwicklung hätte er sich “ein entschlosseneres Vorgehen” gewünscht. Andreas Bley, Chefvolkswirt des Bundesverbands der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) meinte: “Die EZB bewegt sich viel zu langsam und läuft der Konjunktur hinterher.” Sie sollte rascher handeln. Zumal sich der mittelfristige Wirtschaftsausblick in den vergangenen Monaten deutlich aufgehellt habe.Die beiden Wirtschaftsweisen Isabel Schnabel und Volker Wieland übten ebenfalls heftige Kritik an den Beschlüssen der EZB. “Trotz der kräftigen Erholung im Euroraum bewegt sich die EZB nur im Schneckentempo in Richtung eines Ausstiegs aus der ultralockeren Geldpolitik. Das könnte sich später rächen”, sagte Schnabel der “Frankfurter Allgemeinen Zeitung”. “Der Ausstieg wird immer schwieriger.” Auch Wieland hält das veränderte Wording der EZB für unzureichend. Das sei “bei weitem nicht das gewesen, was notwendig wäre”. Die EZB sollte endlich eine Strategie und einen Zeitplan für das Auslaufen der massiven Wertpapierkäufe kommunizieren, forderte er.Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, verteidigte die EZB dagegen. Sie habe “richtig gehandelt”, den Ausstieg aus ihrer expansiven Geldpolitik “graduell und nicht abrupt vorzubereiten, damit keine schädliche Verunsicherung entsteht, sondern Unternehmen und Investoren langfristig planen können”.Um eine Zinswende überhaupt einleiten zu können, sind nach Ansicht von Draghi gleich mehrere Faktoren zu erfüllen: “Wir müssen überzeugt sein, dass die Inflationsrate sich dauerhaft auf das Inflationsziel hin bewegt und die Entwicklung selbsttragend bleibt, selbst wenn die EZB nicht mehr stimulierend eingreifen würde.”