Kurskorrektur der Ampel via Wachstumsinitiative
„Wirtschaftswende“ der Ampel-Koalition
Finanzstaatssekretär Reuter zur Wachstumsinitiative – Ökonomen sprechen von politischer Kurskorrektur
Die deutsche Wachstumsschwäche hat sich immer mehr verfestigt und verstetigt. Mit einer Wachstumsinitiative sollen nun Investitionen erleichtert, Anreize für Mehrarbeit gesetzt und die Innovationskraft gestärkt werden. Staatssekretär Reuter spricht in Frankfurt von „Umkehr in die richtige Richtung“.
lz Frankfurt
Die „Wachstumsinitiative“ der Bundesregierung, die zusammen mit der Haushaltseinigung vergangene Woche vorgestellt wurde, ist nach Ansicht von Finanzstaatssekretär Wolf Heinrich Reuter eine „Umkehr in die richtige Richtung“. Wie er auf einer Diskussionsveranstaltung des Institute for Monetary and Financial Stability (IMFS) zur „Wirtschaftswende“ erläuterte, bringt die Initiative „uns zwar noch nicht dahin, wohin wir müssen“, aber mit zusätzlichen Anreizen sollen private Investitionen erleichtert, Bürokratie abgebaut, das Arbeitsangebot ausgeweitet, die Kapitalverfügbarkeit verbessert und der Energiemarkt neu geordnet werden. Das würde das seit vielen Monaten dahinsiechende Wirtschaftswachstum stärken und die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts erhöhen.
Allerdings, und darauf verwiesen eine Reihe von Ökonomen unter den Zuhörern, werde damit jedoch nur der falsche Kurs korrigiert, an dem die Bundesregierung bis vor wenigen Wochen festgehalten habe. Ex-Bundesbankpräsident Ernst Welteke etwa verwies darauf, dass durch die Initiative doch wieder nur neue Bürokratie und neue Subventionstatbestände geschaffen würden, wenn es etwa um die Anreize für Arbeit oder Investitionen gehe.
Tatsächlich will die Wachstumsinitiative etwa in der Rentenversicherung Entwicklungen zurückdrehen, die das Rentenpaket von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil erst vor wenigen Wochen in Gang gesetzt hat: Das Rentenpaket hat das Rentenniveau auf ein hohes Niveau festgeklopft, ein späteres Renteneintrittsalter erschwert und die (jüngeren) Erwerbstätigen auf künftig höhere Sozialbeiträge eingestimmt. Reuter führt an, dass es in der „Wachstumsinitiative“ nun darum gehe, die Menschen zur Weiterarbeit nach Erreichen des Rentenalters zu animieren, weshalb es Beitrags- und Steuererleichterungen geben solle. Zugleich soll es den Beitragszahlern ermöglicht werden, über etablierte Finanzanlagen ergänzend für ihr Rentenalter vorzusorgen (Altersvorsorgedepot).
Erwerbsanreize setzen
Zudem werden auch „Erwerbsanreize“ für Bürgergeldbezieher gesetzt und sie stärker in die Pflicht genommen, einer Erwerbsarbeit nachzugehen. Dabei hatte man zuvor das Bürgergeld erst so stark erhöht, dass manche Menschen es für eine Art bedingungsloses Grundeinkommen halten, hieß es. Wie eine Ifo-Studie darlegt, hat das inzwischen Größenordnungen erreicht, die für manche Familien die Erwerbsarbeit unattraktiv machen.
Der frühere Bundesbank-Chefvolkswirt Hermann Remsperger bezweifelte wie einige andere Zuhörer ebenfalls, dass für die vielen Finanzhilfen und Steuererleichterungen tatsächlich die nötigen Mittel im Bundeshaushalt vorhanden sind, ohne die Schuldenbremse zu reißen. Er verwies in diesem Zusammenhang auf die ab 2028 anstehende Tilgung der Notfallkredite, die in den laufenden Haushalten untergebracht werden müssten. Finanzstaatssekretär Reuter verwies auf die Möglichkeit der Tilgungsstreckung und Tilgungsaussetzung, sofern die Schuldenquote von 60% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) unterschritten werde, was dann neue finanzielle Spielräume ermögliche.
Mehr Aufschluss über das durch die Initiative erwartete Zusatzwachstum wünschte sich Ingo Mainert, Chief Investment Officer von Allianz Global Investors. Reuter geht davon aus, dass das Wachstumspotenzial dadurch um 0,5 Prozentpunkte angehoben werden könne. Allerdings ist das deutsche Wachstumspotenzial in den vergangenen Jahren immer weiter abgebröckelt. Erst unlängst warnte Ifo-Chef Clemens Fuest vor einer sich verfestigenden Wachstumsschwäche, wenn die privaten Unternehmensinvestitionen nicht wieder anziehen. Allerdings mangele es den Unternehmen, sagte Fuest, vor allem an politischen Perspektiven und stabilen Investitionsbedingungen etwa bei der Klimatransformation.