Kurswechsel erst im September

EZB-Kompass signalisiert eine restriktivere Geldpolitik, doch fehlt es noch an richtigem Inflationsdruck

Kurswechsel erst im September

Die geldpolitischen und realökonomischen Indikatoren lassen einen Kurswechsel der EZB zwar angeraten erscheinen, doch so lange die Inflation nicht nachhaltig die Zwei-Prozent-Grenze erreicht, wird der EZB-Rat noch mit der Normalisierung der Geldpolitik warten.lz Frankfurt – Der steile Anstieg des Deka-EZB-Kompasses, der damit eine deutlich restriktivere Geldpolitik signalisiert, ist zunächst zu Ende gegangen. Im Mai fiel er auf ein Niveau von 45,1 Punkten zurück. Grund dafür waren die wieder gesunkenen Rohstoffpreise sowie die Aufwertung des Euro, die beide für einen nachlassenden Inflationsdruck sorgen. Allerdings wäre, sofern die Kerninflation endlich auf einen nach oben gerichteten Pfad einschwenkt, auch beim gegenwärtigen Niveau noch allmähliche Normalisierung der Geldpolitik angezeigt, meint Deka-Ökonom Kristian Tödtmann.Der Anstieg des EZB-Kompasses, der die für die EZB ausschlaggebenden volkswirtschaftlichen Daten zusammenfasst, beruhte in den vergangenen Monaten zu einem großen Teil auf den Inflations- und Kostenindikatoren. Die Jahresraten sowohl der Erzeugerpreise von Vorleistungsgütern als auch der deutschen Importpreise liegen weiterhin auf überdurchschnittlich hohen Niveaus. Lohnrätsel gibt zu denkenEs zeichnet sich mittlerweile aber eine Trendwende ab, denn im April sind die Erzeugerpreise im Monatsvergleich kaum noch angestiegen, während die deutschen Importpreise sogar leicht rückläufig waren. In den nächsten Monaten dürfte zudem der wieder stärkere Euro dämpfend auf die Erzeuger- und Einfuhrpreise wirken. Die DekaBank geht deshalb davon aus, dass die Jahresraten innerhalb der kommenden zwölf Monate wieder erheblich zurückgehen werden.Längerfristig betrachtet seien ohnehin die inländischen Triebfedern der Inflation ausschlaggebend, allen voran die Lohnentwicklung, meint Tödtmann. Obwohl die Arbeitslosigkeit in den vergangenen Jahren spürbar zurückgegangen ist, blieb ein Anstieg der Löhne weitgehend aus, weshalb nun Zweifel laut werden, ob die Arbeitslosenquote die tatsächliche Unterbeschäftigung vollständig messen kann. Andere Überlegungen gehen davon aus, dass strukturelle Veränderungen am Lohnfindungsprozess stattgefunden haben oder die niedrige Inflationsrate sowohl die Lohnforderungen als auch die Lohnzugeständnisse von Seiten der Arbeitgeber niedrig hält – sich eine Art “Lohnfalle” etabliert hat. Korrekturen an der WortwahlVor diesem Hintergrund geht Tödtmann davon aus, dass EZB-Präsident Mario Draghi nach der Ratssitzung am Donnerstag nur kleine Zugeständnisse in den Formulierungen machen wird. Die Risiken für das Wirtschaftswachstum würden wohl “als ausgeglichen” bezeichnet; und es werde nicht mehr auf die Möglichkeit noch niedrigerer Leitzinsen hingewiesen. Gleichzeitig werde Draghi auch hervorheben, dass eine Änderung der Geldpolitik wegen der wieder gesunkenen Kerninflation nicht zu erwarten sei. Tödtmann geht zudem von “zumindest kosmetischen Abwärtsrevisionen” an den Inflationsvorhersagen des EZB-Mitarbeiterstabs aus.Mit dem eigentlichen Ausstieg aus der ultraexpansiven Geldpolitik werden sich die Notenbanker angesichts dessen kaum beschäftigen, erwartet Tödtmann. Zumal der EZB-Rat noch über keinen konkreten Plan für den geldpolitischen Ausstieg verfüge und diesen in Kürze auch nicht beschließen werde. Festzustehen scheine lediglich die Reihenfolge der geldpolitischen Normalisierung: erst werden die Wertpapierkäufe eingestellt und dann die Leitzinsen angehoben. Zudem könne man davon ausgehen, dass sich die EZB an ihrer derzeitigen Forward Guidance halten und die Anleihekäufe “nicht vor Ende des Jahres reduzieren” werde. Alle weiteren Details seien ohnehin noch offen. Tödtmann: “Konkrete Signale für eine schrittweise Reduktion der Wertpapierkäufe erwarten wir daher frühestens im September.”