Lagarde setzt Draghi-Kurs fort - EZB-Geldschleusen bleiben offen

Notenbank schätzt Lage der Euro-Wirtschaft etwas besser ein - US-Präsident Trump erfreut Anleger

Lagarde setzt Draghi-Kurs fort - EZB-Geldschleusen bleiben offen

ms/wbr Frankfurt – Trotz einer etwas optimistischeren Einschätzung von Wachstum und Inflation hält die Europäische Zentralbank (EZB) auch unter der neuen Präsidentin Christine Lagarde an ihrer ultralockeren Geldpolitik fest. Lagarde untermauerte gestern nach ihrer ersten Zinssitzung “die Notwendigkeit eines äußerst akkommodierenden geldpolitischen Kurses für einen längeren Zeitraum”. Der EZB-Rat stehe zudem weiter bereit, falls nötig alle verfügbaren Instrumente zu nutzen, sagte Lagarde – auch wenn sie erneut die negativen Nebeneffekte der ultralockeren Geldpolitik ansprach.Anfang November hatte Lagarde das EZB-Zepter von Mario Draghi übernommen. Weil sie sich in den ersten Wochen mit geldpolitischen Aussagen eher zurückgehalten hatte, war die gestrige Pressekonferenz im Anschluss an die Sitzung mit großer Spannung erwartet worden. Ihr Auftritt bestätigte nun Erwartungen, dass mit ihr vorerst keine Abkehr von der ultralockeren Geldpolitik der Draghi-Ära ansteht.Lagarde äußerte sich nach der Sitzung im Namen des EZB-Rats etwas zuversichtlicher zu den Wachstums- und Inflationsperspektiven. So gebe es Signale, dass sich die Euro-Wirtschaft nach der jüngsten Abschwächung etwas stabilisiere. Die Risiken hätten auch etwas abgenommen. Zudem gebe es Anzeichen für ein leichtes Anziehen des zugrundeliegenden Preisdrucks. Zugleich sagte Lagarde aber, das Wachstum sei weiter “schwach” und die Inflation noch lange nicht im Bereich des Zielwerts von unter, aber nahe 2 %.Entsprechend hielt der EZB-Rat geldpolitisch Kurs. Im September hatte er seine bereits ultraexpansive Geldpolitik noch einmal deutlich gelockert und den Einlagenzins weiter unter null auf -0,5 % gesenkt sowie neue Wertpapierkäufe (Quantitative Easing, QE) beschlossen. Lagarde und andere Notenbanker hatten zuletzt gesagt, noch stärker auf die Risiken dieser Maßnahmen achten zu wollen. Vorerst aber bleibt das ohne konkrete Auswirkung.Lagarde kündigte gestern zudem offiziell eine Überprüfung der EZB-Strategie an. Diese soll im Januar beginnen und vor Ende 2020 abgeschlossen sein. “Wir werden jeden Stein umdrehen”, sagte sie. Teilnehmen sollten nicht nur “die üblichen Verdächtigen”, sondern etwa auch Vertreter der Zivilgesellschaft. Sie untermauerte zudem ihr Ziel, Themen wie Klimawandel und Ungleichheit zu berücksichtigen. Das stößt im EZB-Rat teils auf große Vorbehalte (vgl. BZ vom 11. Dezember).Der Dax reagierte kaum auf die Zinsentscheidung der EZB. Wesentlich mehr Aufsehen erregte eine Äußerung von US-Präsident Donald Trump zum Handelskonflikt mit China. Die Aussicht auf ein baldiges Handelsabkommen führte zu Kursgewinnen an den Aktienmärkten. Der S&P 500 notierte am Abend bei 3 160 Punkten – so hoch wie nie. Deutliche Verluste gab es bei Anleihen. Die Renditen der US-Treasuries und der zehnjährigen Bundesanleihen stiegen dementsprechend auf 1,89 % beziehungsweise -0,27 %. – Nebenstehender Kommentar Schwerpunkt Seite 7