EZB-Forum in Sintra

Lagarde sieht EZB-Zinsgipfel noch nicht in Sicht

In ihrer Auftaktrede beim geldpolitischen Forum der EZB im portugiesischen Sintra hat Notenbankchefin Christine Lagarde erklärt, dass die EZB derzeit einzig darauf fokussiert sei, die Inflation zu brechen. Die Leitzinsen im Euroraum sollen weiter steigen.

Lagarde sieht EZB-Zinsgipfel noch nicht in Sicht

Lagarde sieht Zinsgipfel noch nicht in Sicht

EZB-Chefin: Für eine Entwarnung ist es zu früh – Neue Phase im Inflationsprozess – Gewinnmargen müssen sinken

„Makroökonomische Stabilisierung in einem volatilen Inflationsumfeld“ – so lautet das Motto beim diesjährigen EZB-Forum im portugiesischen Sintra. Notenbanker, Wissenschaftler und Marktteilnehmer aus aller Welt beraten über die Zukunft der Geldpolitik. EZB-Chefin Christine Lagarde findet klare Worte.

ms Frankfurt

Die Europäische Zentralbank (EZB) ist nach Aussage von EZB-Präsidentin Christine Lagarde aktuell einzig darauf fokussiert, die zu hohe Inflation zu brechen, und sie wird in absehbarer Zeit wohl kein Ende ihres historischen Zinserhöhungszyklus verkünden können. Lagarde sagte dies am Mittwoch in ihrer Auftaktrede für das geldpolitische Forum der EZB im portugiesischen Sintra. Für die EZB-Zinssitzung im Juli stellte sie erneut eine weitere Zinsanhebung in Aussicht, hielt sich aber mit Blick auf die Zeit danach mit konkreten Aussagen zurück.

Angesichts der zeitweise bis auf 10,6% hochgeschnellten Inflation im Euroraum hat die EZB seit Juli 2022 ihre Leitzinsen um insgesamt 400 Basispunkte erhöht – so aggressiv wie nie seit der Einführung des Euro 1999. Da die Inflation inzwischen deutlich auf 6,1% zurückgegangen ist und die Euro-Wirtschaft im Winterhalbjahr in eine technische Rezession gerutscht ist, nimmt aber die Debatte zu, wie weit die EZB noch gehen soll oder ob sie bereits überzieht und die Wirtschaft unnötig stark abwürgt. Auch im EZB-Rat gehen die Ansichten durchaus auseinander. Umstritten sind insbesondere Zinsschritte über den avisierten Juli-Schritt hinaus (vgl. BZ vom 17. Juni).

„Komme, was da wolle“

„Die Geldpolitik hat heute nur ein Ziel: eine zeitnahe Rückkehr der Inflation zu unserem mittelfristigen 2-Prozent-Ziel. Und wir sind entschlossen, dieses Ziel zu erreichen, komme, was da wolle“, sagte Lagarde nun in Sintra. Die EZB habe zwar bereits „deutliche Fortschritte erzielt“ und die Straffung beginne zu wirken. „Angesichts eines persistenteren Inflationsprozesses dürfen wir jedoch nicht zögerlich sein“, sagte sie und fügte hinzu. „Für eine Entwarnung ist es zu früh.“

Lagarde sagte, dass eine neue, zweite Phase der Inflationsentwicklung eingesetzt habe. In der ersten Phase des Inflationsprozesses hätten die Unternehmen als Reaktion auf rasant steigende Vorleistungskosten ihre Gewinnmargen verteidigt und den Kostenanstieg an die Konsumenten weitergegeben. In der zweiten Phase würden nun die anziehenden Löhne zum wichtigen Inflationstreiber. Die Beschäftigten versuchten, den starken Rückgang der Reallöhne infolge des Inflationsschocks auszugleichen. Der dadurch ausgelöste Inflationseffekt werde noch verstärkt, da das Produktivitätswachstum geringer ausfalle als erwartet. Lagarde zufolge trägt dazu nicht zuletzt die Widerstandsfähigkeit der Beschäftigung im Verhältnis zum Wirtschaftswachstum bei.

Aus Sicht von Lagarde ist es nun entscheidend, dass die Unternehmen im Euroraum steigende Arbeitskosten über ihre Gewinnmargen auffangen. „Wenn die Geldpolitik ausreichend restriktiv ist, kann die Wirtschaft einen Rückgang der Inflation insgesamt erreichen, während die Reallöhne einen Teil ihrer Verluste wieder wettmachen.“ Von EZB-Ökonomen durchgeführte Sensitivitätsanalysen zeigten die Risiken, falls die Unternehmen stattdessen versuchen würden, ihre Margen zu verteidigen. „Sollten die Unternehmen beispielsweise 25% der in unseren Projektionen erwarteten entgangenen Gewinnmargen wieder wettmachen, läge die Inflation im Jahr 2025 mit fast 3% deutlich über dem Basisszenario.“ Aktuell prognostizieren die EZB-Volkswirte für 2025 im Schnitt 2,2% Inflation.

Angesichts der aktuell großen Unsicherheit über die weitere Entwicklung ist es laut Lagarde auch „unwahrscheinlich, dass eine Zentralbank in naher Zukunft mit absoluter Überzeugung erklären kann, dass die Leitzinsen ihren Höchststand erreicht haben“. Deshalb müsse die EZB-Geldpolitik von Sitzung zu Sitzung festgelegt werden und von der Datenlage abhängen. Mit Blick auf die nächste Zinssitzung sagte sie aber: „Sofern sich die Aussichten nicht wesentlich ändern, werden wir die Leitzinsen im Juli erneut anheben.“

Für Lagarde geht es mit Blick auf die Leitzinsen nun um zwei Punkte: „Erstens müssen wir die Leitzinsen auf ein ausreichend restriktives Niveau anheben, um unsere geldpolitische Straffung abzusichern“, sagte sie. Und zweitens müsse die EZB klar kommunizieren, dass sie dieses Niveau so lange wie erforderlich aufrechterhält. „Auf diese Weise führt die Erhöhung der Leitzinsen nicht dazu, dass eine baldige Kehrtwende bei der Geldpolitik erwartet wird“, sagte sie. Außerdem könnten die bislang getroffenen Maßnahmen so ihre volle Wirkung entfalten.

„Die Geldpolitik hat heute nur ein Ziel“: Notenbankchefin Christine Lagarde beim EZB-Forum in Sintra

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