Lagarde stellt sich hinter Draghis EZB-Kurs
ms Frankfurt – Die designierte EZB-Chefin Christine Lagarde hält auf absehbare Zeit eine sehr expansive Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) für nötig und sieht die Notenbank auch noch nicht am Ende ihrer Möglichkeiten angekommen. Das betont Lagarde in schriftlichen Antworten auf Fragen für die Anhörung im Wirtschafts- und Währungsausschuss des EU-Parlaments am 4. September, die der Ausschuss gestern veröffentlichte. Zugleich lobt sie das EZB-Krisenmanagement in den vergangenen acht Jahren.”Es ist klar, dass die Geldpolitik auf absehbare Zeit sehr akkommodierend bleiben muss”, erklärt Lagarde mit Blick auf die Abschwächung der Euro-Wirtschaft und die unter Ziel verharrende Euro-Inflation. Zugleich betont sie: “Die EZB verfügt über einen breiten Instrumentenkasten und muss bereitstehen zu handeln.” Sie verweist explizit auch darauf, dass der Europäische Gerichtshof (EuGH) der EZB einen breiten Ermessensspielraum bei seinen Instrumenten zugestanden habe.Die bisherige Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF) soll am 1. November EZB-Präsident Mario Draghi nachfolgen. Die Staats- und Regierungschefs der EU hatten die Französin überraschend nominiert. Sie wird die erste EZB-Spitze sein, die über keine Zentralbankerfahrung und kein ökonomisches Studium verfügt. Sie ist Juristin. Wegen ihrer Vergangenheit als französische Finanzministerin befürchten Kritiker eine weitere Politisierung der EZB. Geldpolitisch wird sie nach verbreiteter Ansicht Draghis Kurs fortführen.Diese Erwartung untermauern auch ihre Antworten auf die Fragen der EU-Abgeordneten. Explizit verteidigt sie darin auch den EZB-Kurs während Draghis Amtszeit. “Wenn man die vergangenen acht Jahre betrachtet, würde ich sagen, dass die Geldpolitik der EZB effektiv und erfolgreich war.” Vor allem in Deutschland steht die ultralockere Geldpolitik stark in der Kritik.Angesichts der Konjunktureintrübung steuern die Euro-Hüter aktuell auf eine weitere Lockerung ihrer ohnehin schon sehr expansiven Geldpolitik zu. Im Raum steht neben einer neuerlichen Zinssenkung auch eine Wiederaufnahme breiter Nettowertpapierkäufe (Quantitative Easing, QE). EZB-Ratsmitglied Olli Rehn, Zentralbankchef in Finnland, hatte unlängst für ein breites Paket plädiert, das am besten die Markterwartungen übertreffen sollte.Rehns niederländischer Amtskollege Klaas Knot äußerte sich dagegen gestern sehr viel zurückhaltender. Er sagte zwar, er sei offen für eine Zinssenkung. Die Euro-Konjunktur sei aber nicht schwach genug, um eine Wiederaufnahme der Bondkäufe zu rechtfertigen. Die Euro-Hüter sollten davon absehen, es sei denn, die Konjunkturabschwächung verstärke sich. Unlängst hatte auch Bundesbankpräsident Jens Weidmann vor “Panik” und “Aktionismus” gewarnt.Unterdessen schwächt sich die Inflation im Euroraum weiter ab. In Deutschland ging die Teuerungsrate im August noch einmal von zuvor 1,1 % auf 1,0 % zurück, wie das Statistische Bundesamt gestern mitteilte. Das ist weit entfernt von dem EZB-Zielwert von unter, aber nahe 2 %. “Die niedrige Inflation zusammen mit der Aussicht auf eine bestenfalls stagnierende Wirtschaft unterstützt das Argument für einen neuen geldpolitischen Stimulus durch die EZB”, sagte Carsten Brzeski, Chefvolkswirt der ING Deutschland. Auch in Spanien schwächte sich der Preisauftrieb überraschend auf 0,4 % ab. Das ist die niedrigste Inflationsrate seit September 2016.