NOTIERT IN WASHINGTON

Langer Weg nach Kuba

Washington und Havanna stehen vor der Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen, und Firmen von Google und McDonald's über Bank of America bis hin zu United Airlines und führenden Reiseveranstaltern wittern bereits die Chance auf gewaltige...

Langer Weg nach Kuba

Washington und Havanna stehen vor der Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen, und Firmen von Google und McDonald’s über Bank of America bis hin zu United Airlines und führenden Reiseveranstaltern wittern bereits die Chance auf gewaltige Umsatzsprünge. Experten warnen indes vor verfrühtem Optimismus. Schließlich bleibt das 1960 verhängte Wirtschaftsembargo weiter in Kraft. Dieses kann nämlich nicht Präsident Barack Obama allein aufheben. Es braucht dazu auch den Kongress. Nutznießer der gelockerten Regeln werden vorerst Banken und andere Finanzdienstleister sein.Gleich nachdem Obama die Normalisierung der Beziehungen zwischen der weltgrößten Volkswirtschaft und der karibischen Inselrepublik verkündet hatte, meldeten sich einige US-Unternehmen mit Ideen und neuen Geschäftsmodellen für das über mehr als fünf Jahrzehnte wirtschaftlich isolierte Land zu Wort. Darunter Aushängeschilder der Telekom und IT-Industrie (Google, Apple, Microsoft und Facebook), die Internet- ebenso wie Mobilfunkverbindungen auf Vordermann bringen wollen. Auch Hotelketten wie Marriott, Schnellimbisskonzerne, die Kaffeehauskette Starbucks und Fluggesellschaften wie United und Jetblue hoffen, von Beginn an mit an Bord zu sein.Zudem würden die großen drei der US-Autoindustrie gern jene Chevrolets aus den fünfziger Jahren, die noch heute über die Straßen Havannas rollen, durch neuere Modelle ersetzen. Selbst Major League Baseball (MLB), die Profiliga der US-Baseballspieler, will es sich nicht nehmen lassen, die Kubaner mit ihrer Marke vertraut zu machen, und will in der Hauptstadt eine neue Mannschaft gründen. Schließlich stammen einige der größten MLB-Superstars aus Kuba, wo eine der liebsten amerikanischen Freizeitbeschäftigungen der Volkssport schlechthin ist.Viele Unternehmen dürften in der anfänglichen Begeisterung allerdings übersehen haben, dass es noch ein weiter Weg sein wird, bis einige der Aushängeschilder der US-Industrie in Kuba ihre Zelte werden aufschlagen können. Das Embargo wurde 1960 zwei Jahre nach dem Sturz des Batista-Regimes verhängt und als Folge des Schweinebuchtdebakels sowie der kubanischen Raketenkrise weiter verschärft. Erst Ex-Präsident George W. Bush lockerte die Wirtschaftsblockade etwas. So dürfen seit dem Jahr 2000 unter strikten Auflagen bestimmte Agrarprodukte und medizinische Güter aus den USA exportiert werden.Bushs Nachfolger Obama, der seit seinem Amtsantritt für eine stufenweise Normalisierung der diplomatischen wie der Wirtschaftsbeziehungen plädiert, hob dann zusätzlich einige Reisebeschränkungen auf. “Die wichtigsten Restriktionen bleiben aber nach wie vor in Kraft”, betont der Soziologe Ted Henken von der Baruch-Universität, der mehrere Bücher über US-kubanische Beziehungen veröffentlicht hat. “Es winken zwar historische Veränderungen. Aber allein aufgrund der gesetzlichen Hürden, die in Washington erst genommen werden müssen, könnte das noch locker fünf bis sechs Jahre dauern.”Unter anderem dürfte der Billigurlaub in einem exotischen, karibischen Strandparadies, von dem so viele Amerikaner träumen, noch auf sich warten lassen. Tourismus bleibt nämlich bis zur Aufhebung der Blockade durch den Kongress weiter verboten. Auch werden McDonald’s bzw. Wendy’s keine Cheeseburger und Starbucks keine Cappuccinos verkaufen können. Die Fluggesellschaften freuen sich zwar über einen langsamen Ausbau der Verbindungen, wobei diese aber weiterhin auf Charterflüge beschränkt sein werden. Nur die Banken profitieren vorerst. Ab sofort können US-Zahlungskarten an kubanischen Geldautomaten verwendet werden. Auch werden die limitierten US-Importe nun direkt über US-Banken abgewickelt. Bisher mussten dazu die Schweizer Botschaft und Geldhäuser aus Drittländern eingebunden werden.Wie das Peterson Institute for International Economics in Washington vorrechnet, würden im Falle einer kompletten Normalisierung der Wirtschaftsbeziehungen die US-Exporte nach Kuba von 360 Mill. Dollar 2014 auf 4,3 Mrd. Dollar steigen. Dafür könnte Kuba, dessen US-Ausfuhren aktuell bei null liegen, in den USA sogar 4,8 Mrd. Dollar an Zigarren, Rum, Textilien und anderen Produkten verkaufen.