Konjunktur

Lebensmitteleinzelhandel darbt seit zwei Jahren

Die hohe Inflation und die trübe Verbraucherstimmung verderben den deutschen Einzelhändlern die Geschäfte: Im ersten Halbjahr fuhren sie ein Umsatzminus von real 4,5% ein. Insbesondere bei den Lebensmitteleinkäufen halten sich die Verbraucher zurück, und das schon seit zwei Jahren. Besserung ist nicht in Sicht.

Lebensmitteleinzelhandel darbt seit zwei Jahren

Lebensmitteleinzelhandel darbt besonders

Insgesamt 4,5 Prozent weniger Umsatz im ersten Halbjahr – Pandemiebedingte Verzerrungen egalisieren sich

Die hohe Inflation und die trübe Verbraucherstimmung verderben den deutschen Einzelhändlern die Geschäfte: Im ersten Halbjahr fuhren sie ein Umsatzminus von real 4,5% ein. Insbesondere bei den Lebensmitteleinkäufen halten sich die Verbraucher zurück, und das schon seit zwei Jahren. Besserung ist nicht in Sicht.

ba Frankfurt

Die anhaltend hohen Verbraucherpreise bescheren den deutschen Einzelhändlern Umsatzeinbußen. Insbesondere der Einzelhandel mit Lebensmitteln verzeichnet seit zwei Jahren Monat für Monat einen Erlösrückgang im Jahresvergleich. Auch wenn sich der private Konsum im zweiten Quartal stabilisiert hat, wie das Statistische Bundesamt (Destatis) vergangenen Freitag konstatierte, ist kaum Besserung in Sicht: Das Konsumklima liegt trotz einer leichten Steigerung auf niedrigem Niveau. Im Gesamtjahr sind daher keine positiven Wachstumsimpulse zu erwarten, wie GfK-Experte Rolf Bürkl zuletzt erneut betonte.

Im Juni haben die Einzelhandelsunternehmen 0,5% weniger eingenommen als im Vormonat. Real, also preisbereinigt, waren es sogar 0,8% weniger. Von Reuters befragte Ökonomen hatten jedoch ein reales Umsatzplus von 0,2% erwartet. Damit endete für die Einzelhändler das erste Halbjahr mit einem Erlösrückgang von real 4,5% im Vergleich zu den ersten sechs Monaten des vergangenen Jahres. Nominal, also nicht preisbereinigt meldet Destatis allerdings ein Wachstum von 3,6% gegenüber dem Vorjahreszeitraum. „Die Differenz zwischen den nominalen und realen Ergebnissen spiegelt das deutlich gestiegene Preisniveau im Einzelhandel wider“, erklärten die Wiesbadener Statistiker.

Riss im Arbeitsmarkt

Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank, vermag den Daten Positives abzugewinnen: So sei der Rückgang im Juni erst der zweite in diesem Jahr im Monatsvergleich. „Die Juni-Zahl darf deshalb auch nicht zu sehr dramatisiert werden“, nachdem der Mai mit starken 1,6% im Plus gelegen habe. Zudem sei den privaten Konsumausgaben zu verdanken, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im zweiten Quartal stagnierte, statt wie erwartet zu schrumpfen. Im zweiten Halbjahr dürften sich die Konsumenten aber weiter in Zurückhaltung üben: „Die Wirtschaftsaussichten bleiben trübe, und wie der Einkaufsmanagerindex gezeigt hat, lässt auch die Einstellungsbereitschaft im verarbeitenden Gewerbe nach. Im bislang guten Arbeitsmarktbild zeichnet sich also doch ein Riss ab“, mahnte Gitzel. Dem Stellenindex der Bundesagentur für Arbeit, BA-X, zufolge hat sich der Rückgang der Arbeitskräftenachfrage zu Beginn der Sommerpause aber nicht weiter fortgesetzt (siehe unten stehender Bericht).

„Zum Tief im März besteht dennoch ein kleines Polster“, ergänzt Alexander Krüger, Chefvolkswirt der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank. Es bestehe die vage Hoffnung, dass der Abwärtstrend einen Boden bilde. „Die schlechte Konsumlaune spricht jedoch gegen einen Turnaround“, betonte Krüger. Die Konsumbarometer der GfK und des Einzelhandelsverbands HDE zeigten zwar zuletzt leichte Verbesserungen, aber auf niedrigem Niveau.

Sondereffekte werden ausgeglichen

Besonders stark halten sich die Kunden im Lebensmitteleinzelhandel zurück: Hier sank der Umsatz im ersten Halbjahr um real 5,8% zum Vorjahr, kletterte aber nominal um 7,6%. Ursächlich, so Destatis, seien „die stark gestiegenen Nahrungsmittelpreise, die in der ersten Jahreshälfte 2023 der stärkste Preistreiber der Gesamtteuerungsrate waren“. In allen 24 Monaten der vergangenen zwei Jahre sei hier der reale Umsatz im Jahresvergleich gesunken, erklärten die Statistiker. Im Einzelhandel mit Nichtlebensmitteln gingen die Erlöse real um 3,6% zurück. Laut Destatis fiel der Umsatzrückgang im Internet- und Versandhandel mit real 7,3% besonders hoch aus, ähnlich wie bei den Baumärkten mit real −6,9%. Im Gegensatz hierzu kletterten die Erlöse mit Textilien, Bekleidung, Schuhen und Lederwaren real um 7,3%.

Destatis führt zur Erklärung Basiseffekte durch coronabedingte Sonderentwicklungen im Vorjahr an: Insbesondere der Internethandel und die Baumärkte hätten während der Pandemie zeitweise hohe Umsatzzuwächse verbucht, wohingegen die Erlöse der Bekleidungsgeschäfte stark zurückgegangen seien und sich erst mit der Aufhebung der Corona-Schutzmaßnahmen stabilisiert hätten.

| Quelle:

BZ+
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