Leise Hoffnung bei Steuerwünschen der Wirtschaft
wf Berlin – Die Wirtschaft kann in der Coronakrise womöglich mit einer weiteren Ausweitung des steuerlichen Verlustrücktrags rechnen. Steuerstaatssekretär Rolf Bösinger signalisierte in einem Webtalk des Industrieverbands BDI zum “Steuermodell der Zukunft”, das Bundesfinanzministerium werde im weiteren Verlauf der Krise diesen Punkt noch einmal prüfen. Bislang halte das Haus von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) die aktuellen Hilfen von 68 Mrd. Euro für die Wirtschaft aber für ausreichend, machte Bösinger deutlich. Die Verlustverrechnung erreiche 99 % der Unternehmen.Die Wirtschaft dringt seit geraumer Zeit auf eine umfassendere Verrechnungsmöglichkeit der Verluste aus der Coronakrise mit Gewinnen der Vorjahre. Bislang reichte diese Möglichkeit ein Jahr zurück und ist auf 5 Mill. Euro beschränkt. Verluste des Jahres 2020 können damit – der Höhe nach begrenzt – mit Gewinnen aus dem Jahr 2019 verrechnet werden.Monika Wünnemann, Leiterin der BDI-Steuerabteilung, konstatierte, dass schon der gehobene Mittelstand zweistellige Millionenbeträge benötige, um Verlust verrechnen zu können. Der BDI hofft auf eine Ausweitung der Frist auf zwei Jahre und eine Erhöhung des Betrags auf 50 Mill. Euro. Der Vorsitzende des Sachverständigenrates für Wirtschaft, Lars P. Feld, wies darauf hin, dass es für das zweite Krisenjahr 2021 ohnehin einer zeitlichen Ausweitung der Frist bedürfe, damit Gewinne aus 2019 noch zur Verrechnung genutzt werden könnten. Wolfgang Haas, Steuerabteilungsleiter der BASF und Vorsitzender des BDI-Steuerausschusses, wunderte sich über die “Beißhemmung” der Bundesregierung bei der Verlustverrechnung mit Blick auf viel großzügigere Regelungen, z. B. in den USA, wo unbegrenzt fünf Jahre zurück verrechnet werden kann. Die Verlustverrechnung sei punktgenau, helfe bei Liquidität und Eigenkapital und bleibe fiskalisch neutral, da die Unternehmen das ihnen zustehende Geld nur früher erhielten, sagte Haas.Der BDI legte zugleich ein “Steuermodell der Zukunft” vor, um die steuerlichen Rahmenbedingungen der deutschen Wirtschaft zu verbessern. “Wettbewerbsfähig, nachhaltig und einfach” müsse das Steuersystem sein, sagte Haas. Zu den Kernpunkten des Konzepts zählt eine Senkung der steuerlichen Gesamtbelastung auf höchstens 25 %, um wieder in die Nähe des Durchschnitts der OECD-Länder von 23,5 % zu kommen. Derzeit liegt Deutschland mit einer Belastung von 31,3 % an der Spitze der Industrieländer. Der Körperschaftsteuersatz soll dazu von derzeit 15 % auf 10 % sinken.Abgeschafft werden soll zudem der Solidaritätszuschlag für alle, sagte Wünnemann. Derzeit zahlen zum großen Teil noch Unternehmen den Soli. Für Personengesellschaften dringt der BDI auf eine Anpassung der Thesaurierungsbegünstigung, also der Gewinne, die in den Unternehmen bleiben. Die tatsächliche Belastung der einbehaltenen Gewinne liege bei 36 % anstelle der beabsichtigten 28,5 %. Zudem erneuerte der BDI seinen Wunsch nach einer Option auf eine rechtsformneutrale Besteuerung von Personen- und Kapitalgesellschaften. Bösinger bezifferte das komplette BDI-Paket auf Steuerausfälle von 34 Mrd. Euro. Er bezweifelte, dass auch eine künftige Bundesregierung alle diese Wünsche erfüllen werde.