Stiftung Marktwirtschaft

"Leistungen in der Kranken- und Pflegeversicherung kürzen"

In der Generationenbilanz legt die Stiftung Marktwirtschaft die nicht sichtbaren, impliziten Schulden offen. Die Finanzierung der Kranken- und Pflegeversicherung steht demnach vor dem Kollaps. Selbst ein Nachhaltigkeitsfaktor kann nicht alle Probleme lösen.

"Leistungen in der Kranken- und Pflegeversicherung kürzen"

Stiftung Marktwirtschaft rät zur Belastung der Älteren

Generationenbilanz: "Leistungen in der Kranken- und Pflegeversicherung kürzen" – Implizite Schulden enorm

wf Berlin

In der gesetzlichen Krankenversicherung und Pflegeversicherung muss die Eigenverantwortung gestärkt und ein Nachhaltigkeitsfaktor eingeführt werden. Zu diesem Ergebnis kommt Bernd Raffelhüschen, Vorstandsmitglied der Stiftung Marktwirtschaft, im Update der Generationenbilanz 2023. Andernfalls sei das Umlagesystem nicht mehr finanzierbar, machte Raffelhüschen vor der Presse in Berlin deutlich. „Unsere Berechnungen zeigen, dass wir die Leistungen der Kranken- und Pflegeversicherung nicht aufrechterhalten können, ohne die Beitragszahler zu überfordern“, unterstrich der Freiburger Ökonom.

Die Generationenbilanz untersucht neben den expliziten, sichtbaren Schulden die impliziten Schulden. Dies sind Verpflichtungen des Staates in der Zukunft, für die keine Rückstellungen gebildet wurden. Während die expliziten Schulden des deutschen Gesamtstaates sich im Update 2023 von 71,0% auf 66,3% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) gegenüber dem Vorjahr verbessert haben, sind die impliziten Staatsschulden von 324,5% auf 381,5% des BIP gestiegen. Zusammengenommen summieren sie sich auf 447,8% nach 395,4% des BIP. Dies entspricht 17,3 Bill. Euro nach 14,1 Bill Euro im Vorjahr. Die zusätzlichen Schulden haben vor allem die Gebietskörperschaften – also Bund, Länder und Gemeinden – gemacht. Bei den Sozialversicherungen hat sich die Lage optisch etwas verbessert. Ursache ist aber die neue Art der Bevölkerungsberechnung des Statistischen Bundesamts. Darin werden Zuwanderer als Beitragszahler und Steuerzahler erfasst, unabhängig davon, ob sie wirklich dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Die Alterung der deutschen Bevölkerung wird durch diesen Effekt gemildert.

Das gleichwohl anhaltende Schuldenproblem in den Sozialversicherungen sei in der Politik noch nicht ausreichend angekommen, monierte Raffelhüschen. „Fakt ist, dass immer mehr alte, kranke und pflegebedürftige Menschen von immer weniger Beitragszahlern immer länger finanziert werden müssen." Beiträge und Leistungen liefen auseinander (siehe Grafik). In der Krankenversicherung summieren sich die impliziten Schulden laut Generationenbilanz auf 66,2% des BIP. Würden der Kostendruck in der Dienstleistungsbranche und der technische Fortschritt berücksichtigt, seien es 195% des BIP. Raffelhüschen empfiehlt einen Selbstbehalt von 900 bis 1.800 Euro für ambulante Leistungen und Medikamente, die vollständige Ausgliederung von Zahnbehandlungen sowie Wettbewerb zwischen den Krankenhäusern. Ineffiziente Häuser müssten schließen. Damit ließe sich das Nachhaltigkeitsproblem in der Krankenversicherung lösen.

Keine Lösung für die Pflege

In der Pflegeversicherung sieht es dagegen düster aus. Im Status quo liege das implizite Defizit bei 42,1%, den Kostendruck eingerechnet bei 90,1% des BIP. Raffelhüschen rät zu einer Leistungskürzung für die Älteren – durch die Einführung einer selbst finanzierten Karenzzeit, bis die Pflegeversicherung in Anspruch genommen werden darf. Allein damit lässt sich der Berechnung zufolge der Beitragsanstieg allerdings nur bremsen.

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