Letzte Ausfahrt Luxemburg

EuGH könnte darüber entscheiden, ob EU-Austrittserklärung reversibel ist

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Bei einer Anhörung vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg hat sich abgezeichnet, dass die EU-Austrittserklärung Großbritanniens nach Artikel 50 des Vertrags von Lissabon rückgängig gemacht werden kann. Die Frage ist offenbar nur, ob es dafür der Zustimmung des Europäischen Rats bedarf.hip London – Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg könnte demnächst über die Frage entscheiden, ob Großbritannien die EU-Austrittserklärung nach Artikel 50 des Vertrags von Lissabon einseitig rückgängig machen kann. Das Verfahren war von einer parteiübergreifenden Gruppe schottischer Abgeordneter angestoßen worden. Unter den prominenten Unterstützern befinden sich Chris Leslie (Labour) und Tom Brake (Liberal Democrats). Schottlands Oberstes Gericht hatte es an den EuGH verwiesen. Von der britischen Regierung wurde es bis zuletzt als rein hypothetische Angelegenheit abgetan, schließlich habe sie nicht vor, die Austrittserklärung rückgängig zu machen. Das Ministerium für den EU-Austritt (Department for Exiting the EU, DExEU) scheiterte allerdings vor dem Supreme Court mit dem Versuch, den Verweis an den EuGH rückgängig zu machen. In Luxemburg forderten die Vertreter der Regierung bei der Anhörung, der EuGH solle das Verfahren abweisen, um den Brexit-Gegnern keine politische Munition zu liefern. Sie wollten das Gericht für ihre Kampagne lediglich benutzen.Das Verfahren sei von großer Bedeutung, behauptet der Remain-Anwalt Jolyon Maugham von The Good Law Project, der am Verfahren beteiligt ist. “Es könnte die Antwort auf die Frage bieten, wie die Mehrheit der Abgeordneten, die keinen ,No Deal` will, handeln könnte, um so ein Ergebnis zu vermeiden.” Sie könnten die Regierung einfach anweisen, die Austrittserklärung zu widerrufen. Es wäre eine saubere Lösung, um einen ungewollten harten Brexit zu vermeiden. In Artikel 50 wird die Frage des Widerrufs nicht geklärt, sie wird nicht einmal erwähnt. Schutz kollektiver InteressenDie Juristen des Europäischen Rats hatten den Mitgliedstaaten mitgeteilt, dass Großbritannien die Austrittserklärung nicht unilateral zurückziehen könne. Alle 27 verbliebenen Mitglieder müssten einem solchen Schritt zustimmen. Der Vertreter des Rats warnte das Gericht, Regierungen von Mitgliedstaaten könnten die Austrittserklärung aus politischen oder wahltaktischen Gründen einsetzen, wenn sie so einfach widerrufen werden könnte. Dann wäre man fortdauernd zu Zugeständnissen und Ausnahmen gezwungen, um die abtrünnigen Schäfchen wieder zurück zur Herde zu bewegen. Das würde dem europäischen Projekt insgesamt schaden. Rat und Kommission betonten den Schutz der kollektiven Interessen der EU vor Missbrauch der Widerrufsmöglichkeit.Aus Sicht der Kläger könnte ein Mitgliedstaat gegen den Willen der Bevölkerung aus der Staatengemeinschaft ausscheiden müssen, sollte für einen Widerruf der Austrittserklärung die Zustimmung aller 27 erforderlich sein. Maugham fasste seine Beobachtungen wie folgt zusammen: Der britischen Regierung sei es bei ihren Einlassungen vor allem darum gegangen, das heimische Brexiteer-Publikum davon zu überzeugen, dass es sich um eine Angelegenheit handelt, die nicht vom EuGH entschieden werden sollte. Weder der Rat noch die Kommission hätten erklären können, weshalb die Widerrufsmöglichkeit von der einstimmigen Zustimmung der Mitglieder abhängig sein sollte. Für die von ihnen vorgeschlagene Lösung gebe es keinen “intellektuell ehrbaren” Weg. Das Erfordernis der Einstimmigkeit ermögliche es Mitgliedstaaten, ihre Eigeninteressen sowohl über die des ausscheidenden Mitgliedstaats als auch über die der EU insgesamt zu stellen. Weder Rat noch Kommission hätten darauf eine respektable Antwort vorgebracht. Allerdings sei nun klar, dass die Austrittserklärung zurückgenommen werden könne. Die Frage sei nur noch, ob dies im Alleingang erfolgen könne oder der Zustimmung des Rats bedürfe.