LÄNDERREPORT: LIBERIA

Liberia setzt Wachstumskurs erfolgreich fort

Investoren kommen in das ressourcenreiche Land zurück - Stark von Rohstoffpreisen und Weltkonjunktur abhängig - Fortschritte bei der Korruptionsbekämpfung

Liberia setzt Wachstumskurs erfolgreich fort

Von Ulrike Dangelmaier *) Liberia ist natürlich reich: Reich an Diamanten, Gold und Eisenerz. Reich an Wasser und fruchtbaren Böden. Reich an Holz und Fisch. Seit Anfang des Jahres steht auch fest, dass das westafrikanische Land reich an Öl ist. Vor allen Dingen ist Liberia aber reich an Kautschuk. Dieser Ressourcenreichtum birgt ein immenses wirtschaftliches Potenzial, das es zu nutzen gilt, ohne die Gefahren des “Ressourcenfluchs” aus den Augen zu verlieren. Um diesen Schatz zu heben, sind Investoren gefragt. Diese kommen seit Ende des Bürgerkrieges im Jahr 2003 und der damit einhergehenden Stabilisierung der innenpolitischen Lage langsam wieder ins Land. Zwischen 2006 und 2010 wurden laut Nationaler Investitionskommission rund 17 Mrd. Dollar an Auslandsinvestitionen vertraglich abgesichert. Deutsche Unternehmen sind noch zögerlich, dabei bietet Liberia ein breites Spektrum an lohnenden Geschäftsmöglichkeiten: vom Bergbau über Straßenbau, Strom-, Wasser- und Elektrizitätsversorgung bis hin zur Land-, Forst- und Agrarwirtschaft. Viele Reformen realisiertDie Regierung unter der seit 2006 amtierenden Präsidentin Ellen Johnson-Sirleaf engagiert sich sehr, Investoren ins Land zu holen und treibt Reformen auf allen Ebenen voran. Durch die Eindämmung von Investitions- und Handelsbarrieren und die Einführung effizienterer Verfahren bei der Unternehmensgründung und der Vergabe von Baugenehmigungen hat sich das Geschäftsklima in den vergangenen Jahren erheblich verbessert. Im Jahr 2010 zählte die Weltbank Liberia zu den zehn weltweiten Top-Reformländern. In den Jahren 2011/2012 setzte Liberia umfassende Steuerreformen um: Die Körperschaftssteuer wurde von 35 % auf 25 % reduziert und die Umsatzsteuer wurde abgeschafft. Die gesamte Steuerlast für Unternehmen sank dadurch von 43,7 % auf 27,4 %. Derzeit belegt Liberia zwar nur Rang 149 von 185 im kürzlich erschienenen Doing Business Index 2013, liegt damit jedoch deutlich vor seinen Nachbarn Guinea (162) und der Elfenbeinküste (177). In der Subkategorie Unternehmensgründung belegt Liberia sogar Platz 38.Als erstes afrikanisches Land erreichte Liberia bereits 2009 im Zuge der Initiative zur Verbesserung der Transparenz in der Rohstoffindustrie (Extractive Industries Transparency Initiative – EITI) den Status “EITI Compliant”. Gleichzeitig ist Liberia das erste Land weltweit, das den Forstsektor im Rahmen von EITI in seine Berichterstattung miteinbezieht. Dies hat einen wesentlichen Beitrag zur Korruptionsbekämpfung in Liberia geleistet, auch wenn die Justiz Liberias noch erhebliche Mängel aufweist. Der jüngst erschienene Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International bescheinigt dem Land dementsprechend bemerkenswerte Fortschritte in der Korruptionsbekämpfung. Im Vergleich zu 2007 hat sich das Land von Rang 150 auf Rang 75 verbessert.Diese Fortschritte spiegeln sich unter anderem im Wirtschaftswachstum wider. Ausgehend von einem extrem niedrigen Niveau – 2003 lag das Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei 0,41 Mrd. Dollar – weist Liberia selbst im regionalen Vergleich seit Jahren ein rasantes Wachstum auf. In den Jahren 2004 bis 2008 wuchs die liberianische Wirtschaft im Schnitt um 6,5 % pro Jahr. Selbst im Krisenjahr 2009 wies die Wirtschaft trotz Einbußen bei den Exporten ein robustes Wachstum von 3,8 % auf und konnte die Raten in den Folgejahren wieder steigern (2010: 5,6 %, 2011: 6,7 %). In diesem Jahr wird sogar mit einem Plus von 9 % gerechnet, deutlich über dem regionalen Durchschnitt Subsahara-Afrikas (5,3 %). Auch für das kommende Jahr wird ein Wachstum um die 7 % erwartet. Leistungsstarker AgrarsektorEin wesentlicher Treiber des Wachstums sind die in den vergangenen Jahren gestiegenen Erträge in der Landwirtschaft. Mit einem Anteil von über 60 % des BIP bildet der Agrarsektor das Rückgrat der liberianischen Wirtschaft und verspricht gleichzeitig beträchtliches Wachstumspotenzial. Insbesondere in der Produktion von Palmöl und Kautschuk sowie in geringerem Maße von Kakao und Kaffee wird in den kommenden Jahren durch intensive Investitionen in Modernisierungsmaßnahmen und den Ausbau der Anbauflächen mit wesentlichen Ertragssteigerungen, einschließlich höherer Agrarexporte, gerechnet. Seitdem das Ausfuhrverbot von Tropenholz 2006 aufgehoben worden ist, erlebt auch der Forstsektor eine Renaissance.Einen weiteren Schub erhielt die liberianische Wirtschaft durch die Aufhebung der Exportsanktionen auf Diamanten 2007 und die Wiederaufnahme des Abbaus von Eisenerz. Vor Kriegsbeginn trug dieser Wirtschaftszweig rund 25 % zum BIP und 60 % zum Export bei. Da Liberia über die wohl größten unerschlossenen Vorkommen von Eisenerz verfügt und bedeutende Investitionen in den Wiederaufbau des Bergbaus fließen, ist dieser auf dem besten Weg, mittelfristig auf das Vorkriegsniveau zurückzukehren und zur Hauptstütze des Wachstums zu werden.Ferner wurden im Frühjahr 2012 durch das australische Unternehmen African Petroleum Ölvorkommen vor Liberias Küste bestätigt. Damit das Land diesen zusätzlichen Reichtum für einen wirtschaftlichen Aufschwung nutzen kann, hat die Regierung beschlossen, sich mit der Förderung des Öls Zeit zu lassen: Zeit, die benötigt wird, um die gesetzlichen Rahmenbedingungen an internationale Standards anzupassen und internationale Experten zu konsultieren, so dass die Erträge nachhaltig und breitenwirksam zur Entwicklung Liberias eingesetzt werden können. Daher wird mit der Förderung des ersten Öls und einem entsprechenden Beitrag zum wirtschaftlichen Wachstum frühestens in fünf Jahren gerechnet.Der Aufbau der verarbeitenden Industrie hingegen leidet noch stärker als die anderen Wirtschaftszweige unter einer mangelnden Transportinfrastruktur, der Konkurrenz billiger Importe, dem fehlenden Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten sowie unzuverlässiger Wasser- und Energieversorgung. In ganz Liberia werden derzeit gerade einmal 23 Megawatt (MW) Energie produziert. Dabei wird allein das Wasserkraftpotenzial auf über 2 000 MW geschätzt. Dieser Elektrizitätsengpass führt zu einem der höchsten Strompreise weltweit und hat zur Folge, dass der sekundäre Sektor bisher lediglich knapp 7 % zum BIP beiträgt (2010). In den Ausbau der Infrastruktur soll jedoch in den kommenden Jahren erheblich investiert werden. Der Dienstleistungssektor erwirtschaftet derzeit rund ein Drittel des BIP, was vor allem auf die Versorgung der ausländischen Experten und UN-Mitarbeiter im Land zurückgeht.Trotz der steigenden Exporte von Erz, Diamanten und Tropenholz stellt Kautschuk weiterhin das Hauptexportgut Liberias dar. Bis zum Ausbruch des Bürgerkriegs 1989 exportierte kein anderes Land mehr Kautschuk als Liberia. Heute macht Kautschuk noch immer knapp 70 % der Ausfuhren aus. Diese wenig diversifizierte Exportstruktur führt zu einer hohen Abhängigkeit von Rohstoffpreisen und der konjunkturellen Lage der Weltwirtschaft.Im Jahr 2011 gingen mehr als ein Viertel aller Ausfuhren nach Südafrika, knapp 16 % in die USA, 8 % nach Spanien und 5 % in die benachbarte Elfenbeinküste. Wichtigste Lieferanten der benötigten Importgüter wie Maschinen und Fahrzeuge, Nahrungsmittel sowie Mineralöl waren 2011 Südkorea (42 %), China (29 %), Japan (19 %) sowie mit großem Abstand Deutschland (2,5 %). Es wird geschätzt, dass über 50 % der Importe auf die in Liberia stationierten UN-Friedenstruppen entfallen. Insgesamt beliefen sich die Exporterträge im vergangenen Jahr auf 422 Mill. Dollar und die Importausgaben auf 970 Mill. Dollar. Dadurch ergibt sich ein traditionell hohes Leistungsbilanzdefizit, das im laufenden Jahr wohl 68 % des BIP betragen wird. Die steigenden Exporte in Verbindung mit den jüngsten Ölfunden dürften sich in den kommenden Jahren jedoch positiv auf die Leistungsbilanz auswirken. Bislang führt der hohe Importbedarf, in Verbindung mit den niedrigen Exporterlösen und geringen Währungsreserven jedoch zu einem stetigen Abwertungsdruck des liberianischen Dollars. Dies beeinflusst maßgeblich die Inflation im Land, die 2011 bei 8,5 % lag.Für die Realisierung der beschriebenen Wachstumschancen ist die Aufrechterhaltung der Sicherheit eine Grundvoraussetzung. Während sich die nationale Polizei und Armee noch im Aufbau befinden, wird diese Sicherheit gegenwärtig durch die Präsenz der rund 9 000 UN-Soldaten und UN-Polizisten gewährleistet. Aufgrund wachsender Stabilität werden sich diese aber schrittweise zurückziehen. Die UN-Friedenstruppen tragen zur Stabilisierung der Region über die Grenzen Liberias hinaus bei und sichern zudem zahlreichen Liberianern direkte und indirekte Jobs. Dennoch haben rund 80 % der Bevölkerung keine feste Arbeitsstelle. Das Pro-Kopf-Einkommen der 4,2 Millionen Liberianer wird pro Jahr auf 540 Dollar (Kaufparität) bzw. 300 Dollar (nominal) geschätzt. Rund ein Drittel der Bevölkerung ist unterernährt. Im Human Development Index der Vereinten Nationen lag Liberia 2011 auf Rang 182 von 187. Dies birgt soziales Konfliktpotenzial, insbesondere unter den 15- bis 24-Jährigen im Land, die über 60 % der Bevölkerung stellen. Armut bis 2030 beendenDie Regierung hat sich daher das ehrgeizige Ziel gesetzt, Liberia bis zum Jahr 2030 aus der Armut zu führen. Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit steht dabei an vorderster Stelle. Die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft darf dem Land dabei gewiss sein, da es gute außenpolitische Beziehungen pflegt. Im Jahr 2010 wurden Liberia bereits im Zuge der HIPC-Initiative 4,6 Mrd. Dollar von der internationalen Gemeinschaft und privaten Gläubigern erlassen. Die Auslandsverschuldung verringerte sich damit von 382 % des BIP 2009 auf erwartete 11,2 % in 2012. In Zukunft dürften sich das Haushaltsbudget (2011/12: 418 Mill. Dollar) und damit der Handlungsspielraum der Regierung infolge steigender Zollerlöse aus den Exportgeschäften, höherer Steuereinnahmen sowie der Möglichkeit zur Finanzierung über die internationalen Finanzmärkte kontinuierlich vergrößern, so dass die Abhängigkeit von Gebermitteln reduziert wird.—-*) Ulrike Dangelmaier ist Volkswirtin in der Abteilung Volkswirtschaft/Entwicklungspolitik der DEG – Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft mbH, Köln