Lieferkettengesetz auf Zielgerade
rec Frankfurt
Das von der Bundesregierung in die Wege geleitete Lieferkettengesetz befindet sich auf der Zielgeraden. Geplant ist dem Vernehmen nach, dass der Bundestag in der vorletzten Maiwoche über das Vorhaben abstimmt. Nachdem sich die beteiligten Ministerien Anfang März auf einen Kompromiss verständigt haben und Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) seine Blockade aufgegeben hat, bröckelt laut informierten Kreisen nun offenbar auch der Widerstand in Teilen der Union. Der Wirtschaftsflügel von CDU und CSU sperrt sich bislang gegen Pläne der großen Koalition, Unternehmen zur Wahrung der Menschenrechte bei Geschäftspartnern im Ausland stärker in die Pflicht zu nehmen. Es sei zwar noch Überzeugungsarbeit zu leisten, aber die Atmosphäre habe sich zuletzt verändert, hieß es.
Bei der ersten Lesung im Bundestagsplenum warben die Initiatoren, Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD), um Zustimmung. Müller bezeichnete das Gesetz als „Basis einer europäischen Regelung“. EU-Kommission und Europaparlament werden ihre Pläne für ein europaweites Lieferkettengesetz voraussichtlich im Frühsommer vorlegen. Heil sagte: „Anstand darf kein Wettbewerbsnachteil sein“. Unionsfraktionsvize Hermann Gröhe sekundierte: „Wegschauen darf kein Wettbewerbsvorteil sein“. Der CDU-Politiker gilt seit langem als Befürworter eines Lieferkettengesetzes.
Das Gesetz soll Firmen mit mindestens 1000 Beschäftigten in die Pflicht nehmen, Sorge zu tragen, dass Geschäftspartner in ihren weltweiten Lieferketten gegen Kinder- und Zwangsarbeit vorgehen und Arbeitnehmern Schutz und grundlegende Rechte gewähren. Wirtschaftsverbände fürchten, dass mittelbar auch kleinere Unternehmen betroffen sein werden und insbesondere der Mittelstand leidet. Diese Vorbehalte sind der wesentliche Grund, warum der Wirtschaftsflügel der Union aufbegehrt. Da sich die Regierungsspitze inzwischen aber geschlossen hinter den Entwurf gestellt hat, gilt eine Zustimmung der Unionsfraktion als wahrscheinlich. Zum Stimmungsumschwung beigetragen haben dem Vernehmen nach jüngste Personalien. So galt der vor wenigen Tagen vom Amt des wirtschaftspolitischen Sprechers zurückgetretene Joachim Pfeiffer als einer der schärfsten Kritiker des Lieferkettengesetzes.
Im Bundestag kritisierte FDP-Politiker Carl-Julius Cronenberg, das Gesetz atme „den Geist des Misstrauens“. Neben Entlastungen für den Mittelstand sowie Positiv- und Negativlisten zur Einstufung ausländischer Firmen verlangte Cronenberg, es dürften angesichts bestehender Dokumentations- und Berichtspflichten keine Doppelbelastungen entstehen. Der zuständige SPD-Abgeordnete Sascha Raabe versprach gegenüber der Börsen-Zeitung: „Ich werde mich dafür einsetzen, dass keine unnötigen doppelten Berichtspflichten entstehen. Kontrollieren müssen wir natürlich schon, dass die Unternehmen die vom Gesetz geforderten Sorgfaltspflichten auch nachweisen und einhalten.“ Damit soll das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) beauftragt werden, samt 60 Vollzeitstellen.
Für Grüne und Linke greifen die geplanten Sorgfaltspflichten zu kurz. Insbesondere kritisierten sie das Fehlen zivilrechtlicher Haftung. Den Plänen der Regierung zufolge können Gewerkschaften und Hilfsorganisationen im Namen Betroffener deren Rechte vor deutschen Gerichten durchsetzen. Der AfD-Abgeordnete Markus Frohnmaier lehnte das Lieferkettengesetz ab als einen „Angriff auf alle Unternehmer, die sich trauen, im Ausland zu investieren“.