IWF-Frühjahrstagung

Lindner begrüßt Prognose des IWF

Bundesfinanzminister Christian Lindner will die pessimistische Bewertung der deutschen Konjunktur durch den IWF nutzen, um für Strukturreformen zu werben.

Lindner begrüßt Prognose des IWF

IWF-Frühjahrstagung

Lindner begrüßt Prognose des IWF

Forderung nach Wachstumspolitik verstärkt – Keine Sorgen um mögliche Finanzkrise

Bundesfinanzminister Christian Lindner ist mit der pessimistischen Bewertung der deutschen Konjunktur durch den IWF nicht einverstanden. Nutzen will er diese nun aber, um für Strukturreformen zu werben. Unterdessen bestreitet Bundesbankpräsident Joachim Nagel, dass eine Finanzkrise bevorstehen könnte.

det Washington

Bundesfinanzminister Christian Lindner sieht in der pessimistischen Prognose, die der Internationale Währungsfonds (IWF) für die deutsche Wirtschaft abgegeben hat, zugleich einen Ansporn, um eine wachstumsorientierte Finanzpolitik voranzutreiben. Anlässlich der gemeinsamen Frühjahrstagung des IWF und der Weltbank in Washington betonte Lindner, dass er die Einschätzung des Fonds, der für dieses Jahr ein Schrumpfen der deutschen Wirtschaft um 0,1% voraussagt, nicht teile. Bei dem G7-Treffen am Rande der Tagung habe er die Prognose als „vorsichtig“ beschrieben. Zu erwarten sei in Deutschland im laufenden Jahr vielmehr eine Wachstumsrate von 0,3%, so der Minister.

Gleichzeitig habe er den Pessimismus des Währungsfonds aber „deswegen begrüßt, weil es nun umso leichter wird, innenpolitisch für Wachstumspolitik und Strukturreformen zu werben“ und bereits ergriffene Maßnahmen weiterzuführen. Als Beispiele nannte er Verbesserungen bei der Einwanderung von Fachkräften, Schritte zur Stärkung der Forschung und Entwicklung sowie die Schaffung von Investitionsanreizen, unter anderem im steuerrechtlichen Bereich. Eine Dekade lang habe sich die deutsche Wirtschaft auf ihre bestehende Wettbewerbsfähigkeit stützen können, nun gelte es, diese zu verbessern, so Lindner.

Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz vor dem Treffen des International Monetary and Financial Committee (IMFC) – dem Lenkungsgremium des IWF – verurteilten Lindner und Bundesbankpräsident Joachim Nagel den russischen Angriffskrieg in der Ukraine aufs Schärfste. „Es darf keine Gewöhnung daran eintreten, dass in Europa ein völkerrechtswidriger Krieg geführt wird“, der Kriegszustand dürfe nicht „normalisiert werden“, sagte Lindner. Erst wenn der Krieg beendet und die territoriale Integrität der Ukraine wiederhergestellt sei, „kann wieder business as usual herrschen“. Nagel fügte hinzu, dass der Krieg derzeit „die schwerste Belastung für die Weltwirtschaft darstellt“.

Kein “Krisentreffen“ in Washington

Ungeachtet des Kriegs, der hohen Inflation und der wachsenden Sorgen um die globale Finanzstabilität betonten sowohl Lindner als auch Nagel, dass sie in Washington „nicht Teilnehmer an einem Krisentreffen sind“. Der Krieg, die hohe Inflation und die Verschuldungsproblematik der ärmsten Länder würden keine systemischen Krisen darstellen, vielmehr würden sie den Politikern „die Gelegenheit geben, zu gestalten“. Im Mittelpunkt der Geld- und Fiskalpolitik, „die jeweils ihre Rolle haben, muss die Rückkehr zu Preisstabilität und Wirtschaftswachstum stehen“, betonte der Minister.

Auch Nagel wies die Konjunkturprognosen des IWF zurück. So erwarte die Bundesbank im ersten Quartal des laufenden Jahres Stagnation, für das gesamte Jahr aber „ein leichtes Wachstum“. Zwar hob Nagel die Stabilisierung der Energie- und Rohstoffpreise als positiv hervor, sagte aber, dass bei einer Kernrate von 5,7%  „wir mit der Inflation noch nicht zufrieden sein dürfen“ und bei den Zinserhöhungen „noch eine Wegstrecke zurückzulegen ist“. Wichtig sei es nun abzuwarten, inwieweit die Ereignisse der vergangenen Wochen womöglich zu einer Verschärfung der Finanzierungskonditionen führen werden. Davon werde wiederum abhängen, wie die nächsten Zinsschritte der Europäischen Zentralbank (EZB) aussehen werden. 

Auch betonte Nagel, dass es sich bei dem Bankenbeben, insbesondere der Pleite der Silicon Valley Bank (SVB) und der Übernahme der Credit Suisse, „nicht um eine Finanzkrise handelt, vielmehr geht es um Einzelereignisse“. Die Kapital- und Liquiditätslage der Banken beschrieb er ebenso wie die Ertragskraft der europäischen Banken als „robust“, zudem sei die Zahl der notleidenden Kredite gering. Wichtig sei, dass die Notenbanken ihr vorrangiges Mandat der Preisstabilität von Maßnahmen zur Finanzstabilität „klar trennen, und wir verfügen auch über die entsprechenden Instrumente“, betonte Nagel.

Breiter Raum dürfte Lindner zufolge bei der Frühjahrstagung auch der Verschuldungssituation der ärmeren Länder gewidmet werden. Insbesondere gelte es, China ein weiteres Mal an dessen besondere Verantwortung zu erinnern. Bei dem G20-Treffen, das ebenfalls am Rande der Tagung stattgefunden hatte, hätten Vertreter der chinesischen Notenbank und der Regierung signalisiert, dass sie bereit sind, „die Rolle der multilateralen Banken bei der Restrukturierung der Schulden zu überdenken“. Der Minister bewertete dies als Fortschritt, betonte aber zugleich, dass „der Praxistest in der nächsten Zeit noch abzuwarten ist“.