NOTIERT IN BERLIN

Lippenbekenntnisse zur Aktienkultur

Es ist im Angesicht von Börsen auf rasanter Corona-Talfahrt nicht der allergünstigste Moment, in dem die FDP ein politisches Vorhaben auf den Tisch legt: die Stärkung der Aktienkultur hierzulande. Richtig bleibt es dennoch. "Für ein Volk von...

Lippenbekenntnisse zur Aktienkultur

Es ist im Angesicht von Börsen auf rasanter Corona-Talfahrt nicht der allergünstigste Moment, in dem die FDP ein politisches Vorhaben auf den Tisch legt: die Stärkung der Aktienkultur hierzulande. Richtig bleibt es dennoch. “Für ein Volk von Eigentümern – Aktienkultur in Deutschland fördern” lautet der Antrag, den die Liberalen unter der Federführung des Abgeordneten Frank Schäffler in den Bundestag eingebracht haben. Zentrale Punkte sind die Einführung eines Altersvorsorge-Kontos, in das – nachgelagert besteuert – bis zu 100 % in Aktien, Mitarbeiteraktien, Fonds sowie ETFs und anderen Altersvorsorgeprodukten investiert werden können. Umschichtungen innerhalb des Kontos sollen steuerfrei bleiben. Zudem will die FDP außerhalb des Kontos Kursgewinne von Aktien nach fünf Jahren Haltedauer wieder steuerfrei stellen. Schließlich soll die Beitragsgarantie bei der Riester-Rente fallen, um eine höhere Aktienquote zu ermöglichen.Jenseits der FDP, die das Anliegen einer gestärkten Aktienkultur seit Jahren forciert, sind auch Vertreter anderer Parteien munter für mehr Gründergeist, mehr Kapitalmarktfinanzierung oder eine stärkere Aktienkultur – immer dann, wenn es gerade passt. Dies ist der Fall, wenn Zahlen über die exorbitante Höhe von Vermögen veröffentlicht werden, die auf nicht mehr verzinsten Sparkonten schlummern. Oder wenn Spitzenpolitiker realisieren, dass nur wenige Einhörner – Start-ups mit einer Bewertung von mehr als 1 Mrd. Euro – aus der EU kommen. Dann erwacht kurzfristig die Zuneigung zu Gründern und zum Kapitalmarkt. Spätestens wenn es konkret wird, endet meist der politische Einsatz. Armin Laschet, aussichtsreicher Aspirant für den CDU-Vorsitz und die nächste Kanzlerkandidatur, sprach dieser Tage beim Start-up-Verband. Den Gründern versprach er, “alles zu tun, um Hemmnisse zu beseitigen und die Start-up-Szene in Deutschland an die Spitze der Europäischen Union und darüber hinaus zu bringen”. Nur wie er das machen will, das ließ er offen. Er sprach von einer “Willkommenskultur für neue Ideen”. Dies wird nicht reichen.Eine europäische Initiative, der auch Ex-Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) angehört, hat in Berlin jüngst den Bericht zur Stärkung der europäischen Kapitalmarktunion vorgestellt – ein Vorhaben, das nicht so recht vorankommt. Stargast der Konferenz war Steinbrücks Nach-Nachfolger und Parteigenosse Olaf Scholz, der auch für eine Aktienkultur eintritt und einfordert, die Vorteile der Kapitalmarktunion müssten vor allem besser erklärt werden. Zugleich betreibt Scholz die Einführung einer Finanztransaktionssteuer, die vor allem eine Gruppe belastet: den Handel mit Aktien besonders großer Unternehmen.Das Finanzministerium bejubelte per Twitter dieser Tage eine Studie des Instituts für Weltwirtschaft Kiel: Das IfW befürworte die Steuer. Das Kleingedruckte hatten sie nicht gelesen. Als größte Schwäche machen die Wissenschaftler gerade die Beschränkung der Steuer auf börsengehandelte Aktien aus. Die FDP hat übrigens noch einen vierten Punkt auf der Agenda: Keine Aktienstrafsteuer einführen.