Lob der Regulierung
Anders als in vielen anderen Städten hat der Elektro-Scooter in London noch nicht so richtig Einzug gehalten. Dabei halten viele City Geeks den motorisierten Tretroller für ein umweltfreundliches und preisgünstiges Transportmittel, mit dem selbst der Weg zur Arbeit Spaß machen kann. Was die Fahrzeit angeht, kann es das Zweirad auf den meisten Strecken mit der U-Bahn aufnehmen, wie eine vom Rollerhändler Micro Scooters erstellte Karte zeigt. Kein Stau hält einen auf, keine Gruppe reiselustiger Rentner, die kurz vor den Kontrollschranken am Bahnhof ihre Tickets nicht mehr finden können. Und bei Regen oder nach Feierabend kann man die Roller einfach zusammenfalten und in der U-Bahn mitnehmen. Manchem wäre es vielleicht peinlich, als Erwachsener mit einem Tretroller unterwegs zu sein. Aber das Kickboard, dieser merkwürdige Zwitter aus Tretroller und Skateboard, hat dafür gesorgt, dass Roller mit waghalsigen Kunststückchen in Verbindung gebracht werden können. Und schon sieht man darauf nicht mehr infantil aus, sondern irgendwie sexy. Schließlich ist so ein Roller doch nichts weiter als ein Skateboard mit einem kleinen Griff dran, oder?Kaufen kann man E-Scooter in London zwar bereits, damit fahren darf man aber nur auf Privatgrundstücken. Denn für die Straße sind sie ebenso wenig zugelassen wie Segways, Hoverboards und andere Hightech-Fortbewegungsmittel. Der Gehweg ist in der britischen Metropole Fußgängern vorbehalten. Das hält natürlich niemanden davon ab, mit einem in Läden wie Scootin auf der Euston Road erworbenen Nobelroller übers Trottoir zu brettern. Die Polizei hat wichtigere Dinge zu tun. Wenn aber etwas schiefgeht, gibt es keine Versicherung, die für den Schaden aufkommt.Wer sexy sein will, trägt natürlich keinen Helm. Entsprechend schwerwiegend sind die Verletzungen, die Rollerfahrer bei Unfällen davontragen. Ein Erwachsener, der auf einem Tretroller steht, ist für Autofahrer noch weniger als mögliches Risiko beim Abbiegen zu erkennen als ein E-Bike-Fahrer. Es dürfte selbst Berufskraftfahrern schwerfallen, die Geschwindigkeit richtig einzuschätzen, mit der sich die neuen Verkehrsmittel durch die Gegend bewegen. Auf ein vermehrtes Auftreten von Elektro-Scootern ist London nicht vorbereitet. Hier gibt es schon Probleme, wenn die Alterung der Bevölkerung dafür sorgt, dass die Laufgeschwindigkeit zurückgeht. Auf den überfüllten Gehwegen ist die Gefahr groß, mit Smombies zu kollidieren, die schnell noch eine Verkaufsorder in ihr Smartphone hacken, schmutzige Bilder an ihre Kolleginnen verschicken oder einfach nur ihre E-Mails lesen. Von den zu nahezu jeder Tageszeit joggenden Müttern mit ihren Kinderwagen gar nicht zu reden. Auf den verstopften Straßen würden Elektro-Scooter-Fahrer im ständigen Verdrängungswettbewerb mit Autos, Bussen, Lastwagen, Motorrädern und Radfahrern den Kürzeren ziehen.Und billig sind sie auch nicht, die neuen Hipster-Accessoires: Ein Micro Falcon X3, der 25 km/h schafft, ist für knapp 1 000 Pfund zu haben. Der Ox von Inokim, eine Art SUV unter den Elektro-Scootern, dessen Höchstgeschwindigkeit bei mehr als 45 km/h liegt, schlägt mit 1 800 Pfund zu Buche. Rollerfahrer, Hersteller und von Venture-Capital-Gesellschaften finanzierte Firmen, die gerne Scooter-Sharing-Angebote an den Start bringen wollen, machen Transport for London Druck, die Straßen freizugeben. Aber das ist Sache des Verkehrsministeriums. Und von dort heißt es zwar, dass man untersuche, welches Potenzial neue Technologien wie Elektro-Scooter dafür böten, die Fortbewegung von Menschen und Gütern zu verändern. Tatsächlich hat man aber keine konkreten Pläne, die gesetzlichen Grundlagen dafür zu schaffen. Mit einer Zulassung wären detaillierte Vorgaben zur Ausstattung mit Bremsen, Licht und anderen Dingen verbunden. Es dürfte also noch lange dauern, bis Scooter-Sharing-Firmen wie Bird, Lime oder Spin in der britischen Metropole Fuß fassen. Schade für diejenigen, die meinen, auf jeden Trend aufspringen zu müssen. Schön für alle, die sich nicht ständig umsehen wollen, ob ihnen gleich ein aufgebrezelter Roller in die Hacken rauscht, während der Fahrer via Skype mit seiner Verlobten in Ecuador streitet. Regulierung hat auch ihre guten Seiten.