Lob für den Standort Deutschland wird leiser

Trotzdem weiterhin Top-Adresse für Unternehmen in Europa - Rekordzahl von ausländischen Investitionen

Lob für den Standort Deutschland wird leiser

ge Berlin – Deutschland bleibt für ausländische Unternehmen die Top-Adresse in Europa – aber das Lob wird leiser. Sowohl bei der Verkehrs- und Telekommunikationsinfrastruktur als auch beim bislang hoch geschätzten Qualifikationsniveau der Arbeitskräfte hierzulande fällt die Zustimmung deutlich geringer aus als vor Jahresfrist, ermittelte die Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY (Ex-Ernst & Young) in einer Studie zur Attraktivität des Wirtschaftsraums Europa und speziell Deutschlands. Gleichwohl nannten 20 % bei einer globalen Unternehmensbefragung Deutschland als einen von drei Top-Investitionsstandorten weltweit. Vor Deutschland konnten sich im internationalen Standortranking nur China (mit 37 %) und die USA (33 %) platzieren – was EY mit deren riesigen Märkten erklärt. Großbritannien und Frankreich belegen gemeinsam mit 7 % der Nennungen den siebten Platz.Bei den von Ausländern realisierten Investitionen liegt ungeachtet der geringeren Zustimmung aber Großbritannien vor Deutschland – trotz des Brexit-Votums im Juni. Die Zahl der Investitionsprojekte auf der Insel stieg um 7 % auf 1 144, verglichen mit plus 12 % auf 1 063 Vorhaben in Deutschland. EY erklärt diese Differenz zwischen verbaler Zustimmung und tatsächlichem Handeln mit der großen Rolle von US-Investoren auf der Insel, die traditionell Großbritannien als europäisches Investitionsziel bevorzugten und dort fast ein Drittel aller Investitionen stemmen. Für den Rest der Welt sei hingegen Deutschland das Top-Investitionsziel in Europa: Ohne US-Unternehmen zählte Deutschland 2016 knapp 870 Investitionen (plus 15 %), verglichen mit 788 Vorhaben in Großbritannien (plus 8 %).Während die Ausländer mit ihren 1 063 Investitionen knapp 20 000 Arbeitsplätze versprachen (siehe Grafik), wurden tatsächlich “nur” 8 000 neue Stellen durch Vorhaben der vergangenen Jahre geschaffen. Umgekehrt wurden mit gut 650 Investitionen hiesiger Unternehmen im europäischen Ausland fast 48 000 neue Arbeitsplätze jenseits der Grenzen realisiert. Hauptinvestitionsziele waren EY zufolge Frankreich, Großbritannien und Polen.Trotz des neuen Rekords ausländischer Investitionen hierzulande hat sich das Urteil von Investoren über Deutschland leicht eingetrübt. Zwar loben aktuell sieben von zehn Unternehmen die hiesige Standortpolitik – im Vorjahr lag die Zustimmungsquote allerdings noch bei 80 %. Auffallend sei, dass Unternehmen, die in Deutschland engagiert sind – und deren Urteil somit auf eigenen Erfahrungen basiert -, ein deutlich positiveres Deutschlandbild haben als solche, die hierzulande nicht aktiv sind.Besondere Skepsis bei den Ausländern beobachtet Bernhard Lorentz, Leiter der Sparte Government & Public Sector für die deutschsprachigen Länder, bei der Frage, wie wohl das führende Industrieland die Digitalisierung bewältigen wird. “Denn bislang bestimmen in puncto Digitalisierung andere Länder das Tempo, allen voran die Vereinigten Staaten und China.”