DAS RINGEN UM DEN BREXIT

Lob und Mahnungen

Wie die Verbände der Finanzbranche den Entwurf eines Brexit-Abkommens beurteilen

Lob und Mahnungen

Bundes- und europaweit haben Verbände der Finanzwirtschaft den Entwurf eines Brexit-Abkommens begrüßt. Das Gros der Arbeit warte allerdings erst nach dem Ausscheiden der Briten in der Übergangsphase, heißt es. Briten und EU werden aufgerufen, den Austritt “vernünftig abzuschließen”.bn Frankfurt – Uneingeschränktes Lob für die augenscheinlichen Fortschritte, zugleich Warnungen vor übertriebenen Hoffnung – dies ist die Bandbreite der Reaktionen von Verbänden der Finanzbranche auf den Entwurf der Austrittsvereinbarung zwischen den Verhandlungsführern der Europäischen Union und Großbritanniens, wie eine Umfrage der Börsen-Zeitung zeigt.Uneingeschränkt positiv ist am Donnerstag die Reaktion beim Verband der Auslandsbanken in Deutschland ausgefallen. “Da wir bereits seit dem Referendum im Sommer 2016 Übergangsregelungen für notwendig erachten, halten wir das nun entworfene Übergangsabkommen für sehr erfreulich und hoffen, dass dies von allen Institutionen, die dieses ratifizieren müssen, beschlossen werden wird”, erklärt Geschäftsführer Oliver Wagner. “Mit den vorgesehenen Übergangsbestimmungen würden wir wesentlich mehr Rechtssicherheit als bei einem harten Brexit erhalten, um beispielsweise die Vertragskontinuität zu gewährleisten und das Bestandsgeschäft geordnet bis Ende 2020 auf neue Einheiten in der EU-27 übertragen zu können.” “Ein wenig” Druck weniger Auch mit Blick auf im Aufbau befindliche neue Einheiten in Frankfurt würde dies “ein wenig den Druck nehmen”, bis Ende März 2019 alle erforderlichen Infrastrukturen aufzubauen, Personal einzustellen und die Kunden zu übertragen, heißt es. “Zudem gäbe uns eine Übergangsregelung auch Zeit, die Attraktivität des Finanzplatzes zu steigern mit den geplanten Maßnahmen wie die Änderung des Kündigungsschutzes, die Begrenzung der Abfindungen und die auf Privatanleger begrenzte Anwendung der gerichtlichen AGB-Überprüfungen von Bank- und Finanzdienstleistungsgeschäften”, meint Wagner. Der Verband hoffe, dass das Abkommen auch in Großbritannien eine Mehrheit finden werde. “Die Stunde der Wahrheit”Deutlich vorsichtiger lässt sich unterdessen der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) vernehmen. Die Versicherungswirtschaft begrüße die Einigung auf ein Brexit-Abkommen, erklärt GDV-Chefvolkswirt Klaus Wiener, um sogleich zu mahnen: “Jetzt ist es wichtig, dass nach dem britischen Kabinett auch das Unterhaus der Vereinbarung mit der EU zustimmt.” Das Gros der Arbeit warte allerdings erst nach dem Ausscheiden der Briten in der Übergangsphase auf beide Seiten. Dann werde es darauf ankommen, ein künftiges Verhältnis der Europäischen Union zu Großbritannien zu definieren. Dabei gelte es, gute nachbarschaftliche Beziehungen aufrechtzuerhalten, gleichzeitig aber die Integrität des Binnenmarktes zu schützen, meint Wiener.Der Bundesverband deutscher Banken (BdB) sieht nun “die Stunde der Wahrheit schneller gekommen als von manchen erwartet”. Die Reaktion des britischen Unterhauses sei die entscheidende Weichenstellung für die nächsten Monate, teilt BdB-Hauptgeschäftsführer Andreas Krautscheid mit. “Ohne eine Zustimmung zum gestern erzielten Kompromiss läuft auch die Bankenbranche auf einen harten Brexit zu”, warnt er. “Das bedeutet: Behandlung des Vereinigten Königreichs als Drittstaat, Tagesgeschäft mit London auf Basis von Notfallregeln. Der Preis, den alle Beteiligten für die Uneinsichtigkeit der Brexiteers zahlen würden, ist hoch.” Der Entwurf des Austrittsabkommens sehe zwar wie erwartet keine Detailregeln für den Finanzsektor vor, in der begleitenden politischen Erklärung sei aber vereinbart, die knapp zweijährige Übergangszeit für die Erarbeitung der notwendigen Äquivalenzregeln zu nutzen. Krautscheid: “Das ist der einzig verantwortliche Weg für einen geordneten Austritt.” “Spät, aber notwendig”Einen “späten, aber notwendigen Schritt” sieht unterdessen das europaweite Pendant des Bankenverbandes, die European Banking Federation (EBF), in dem knapp 600 Seiten starken Entwurf. Sobald es gemäß den demokratischen Prozessen in Großbritannien und der Europäischen Union Unterstützung erhalten habe, vermeide es das Szenario eines harten Brexit, wird Chief Executive Officer Wim Mijs in einer Mitteilung zitiert. Die Übergangsphase werde helfen, die meisten, wenn auch nicht alle unmittelbaren Risiken des Brexit auf kurze Sicht zu lösen. Es seien jedoch weitere Maßnahmen notwendig, um andere spezifische Risiken zu lösen und die Vorbereitungen des Finanzsektors zu vervollständigen. Auf lange Sicht ebne das Dokument weiteren Gesprächen über die künftige Beziehung zwischen Großbritannien und der Europäischen Union den Weg. In diesem Zusammenhang zeigt sich der EBF darüber erfreut, dass der Entwurf zur künftigen Beziehung die Relevanz des Finanzdienstleistungssektors anerkenne und die Notwendigkeit unterstreiche, Finanzstabilität, Marktintegrität, Anlegerschutz sowie fairen Wettbewerb zu erhalten.”Von einem ersten, aber entscheidenden Zwischenschritt, um ein ungeordnetes Ausscheiden Großbritanniens aus der Europäischen Union zu verhindern”, spricht unterdessen Georg Baur, Mitglied der Geschäftsleitung des Bundesverbandes Öffentlicher Banken Deutschlands (VÖB). Besonders wichtig sei die vereinbarte Übergangsphase bis zum endgültigen Austritt. Dies schaffe vorübergehend Rechtssicherheit und erweitere den Zeitrahmen für detaillierte Verhandlungen. Für die Kreditwirtschaft bleibe dabei entscheidend, wie das Euro-Derivate-Clearing langfristig gestaltet werde. “Zudem benötigen wir ein Regime, das dauerhaft Rechts- und Planungssicherheit gewährleistet”, erklärt Baur: “Nun sind die EU-27 und Großbritannien in der Pflicht, den Austrittsprozess vernünftig abzuschließen.”