NOTIERT IN MAILAND

Lockdown light und die Mailänder Luft

Der Lockdown im Frühjahr war vor allem für die umweltpolitisch arg belastete Poebene ein echter Segen. Selten war die Luft so gut wie zwischen Anfang März und Mitte Mai. Die Schließung vieler Betriebe und der Schulen sorgte für eine drastische...

Lockdown light und die Mailänder Luft

Der Lockdown im Frühjahr war vor allem für die umweltpolitisch arg belastete Poebene ein echter Segen. Selten war die Luft so gut wie zwischen Anfang März und Mitte Mai. Die Schließung vieler Betriebe und der Schulen sorgte für eine drastische Reduzierung des Straßenverkehrs und der Wirtschaftsaktivitäten – und damit der Fahrzeugemissionen und der Abgase aus Industrieanlagen.Mit den neuen Einschränkungen geht der Verkehr seit Anfang November wieder deutlich zurück, vor allem in der besonders stark von der neuen Pandemiewelle getroffenen Lombardei und ihrer Hauptstadt, der Wirtschaftsmetropole Mailand. Doch noch sind die Einschränkungen weniger restriktiv als im Frühling. Zumindest die unteren Klassen in den Schulen sowie einige Geschäfte, die keine Lebensmittel anbieten, haben noch offen. Und auch die Industrie produziert.Manche Maßnahmen der Mailänder Stadtverwaltung sind nicht ganz nachvollziehbar. Denn die Sperrung quasi des gesamten Stadtgebiets für Diesel-Fahrzeuge bis zur Schadstoffklasse 5 und für Benziner bis zur Schadstoffklasse 2 an Werktagen zwischen 7 Uhr 30 und 19 Uhr 30 wurde wegen der Coronakrise ausgesetzt. Selbst die seit längerer Zeit geltenden Restriktionen in der Innenstadtzone wurden teilweise aufgehoben. In der sogenannten Area C darf, vorerst bis zum Jahresende, kostenlos geparkt werden.Womöglich will die Stadt damit den öffentlichen Nahverkehr entlasten. Denn obwohl Busse, Trams und U-Bahnen eigentlich nur zu maximal 80 % besetzt sein sollten, waren die Verkehrsmittel zu den Stoßzeiten in den letzten Wochen oft brechend voll. Die Ansteckungsgefahr ist da immens. Jetzt gilt eine Kapazitätsgrenze von 50 %, doch es wurde versäumt, die zur Verfügung stehenden Busse privater Unternehmen zu mobilisieren, angeblich aus Sicherheitsgründen.Dann also lieber zurück zum Auto. Das Auto verpestet zwar die Luft, sofern es kein Elektrofahrzeug ist. Doch die Ansteckungsgefahr ist deutlich geringer als im Bus, zumindest dann, wenn nur Personen aus dem eigenen Haushalt mitfahren.Eine Alternative dazu ist das Fahrrad. Viele Städte haben ihr Radwegenetz in den letzten Monaten ausgebaut, indem sie, wie in Genua oder im römischen Badevorort Ostia, ganze Fahrspuren zu Radwegen erklärten, was viele Autofahrer erbost. Auch im flachen Mailand wird das Radwegenetz ausgebaut. Trotzdem ist Velofahren dort gefährlich. Radwege enden oft plötzlich im Nichts, Autofahrer nehmen wenig Rücksicht, und die Gefahr ist groß, mit den Reifen in den Straßenbahnschienen oder zwischen den Pflastersteinen hängenzubleiben.Dennoch ist die Nachfrage nach Fahrrädern explodiert. Denn die Regierung in Rom unterstützt den Kauf mit bis zu 60 % des Kaufpreises und maximal 500 Euro. 215 Mill. Euro sind dafür bereitgestellt worden. Doch als vergangene Woche bei einem “Click Day” entsprechende Hilfen über eine Internetseite beantragt werden konnten, brach die Seite binnen kurzer Zeit zusammen. 690 000 Interessenten hingen noch am Abend in der Warteschleife. Nur 68 500 der Nachfrager erhielten eine Kostenerstattung, weitere 35 700 zumindest einen Gutschein. Bis zum Abend waren erst 83 Mill. Euro verteilt.Umweltminister Sergio Costa versprach zwar, dass genügend Mittel für alle Interessenten zur Verfügung stünden. Doch die Regierung hatte neben dem Rufschaden auch mal wieder den Spott von Nutzern und Opposition zu ertragen. Lega-Chef Matteo Salvini lästerte, wenn eine Regierung nicht einmal in der Lage sei, eine Internetseite zu organisieren, wie wolle sie dann ein ganzes Land führen? Seit Montag können wieder Hilfen beantragt werden.Mailand will noch auf einem anderen Gebiet punkten. Vom 1. Januar an darf in Parks, an Straßenbahnhaltestellen, auf Friedhöfen und Sportplätzen nicht mehr geraucht werden – es sei denn, ein Mindestabstand von zehn Metern zum Nachbarn wird eingehalten. Eine entsprechende Verordnung soll in den nächsten Tagen verabschiedet werden. Ab 2025 sollen Raucher im gesamten Stadtgebiet nicht mehr qualmen dürfen – außer sie halten den Abstand ein. Vorteil für die Stadt: Es kostet sie nichts. Im Gegenteil: Durch Bußgelder lassen sich sogar Einnahmen erzielen.