London darf keine Geschenke von Trump erwarten

Schnelles Handelsabkommen mit USA nicht in Sicht - Briten in schwacher Position

London darf keine Geschenke von Trump erwarten

Von Benjamin Triebe, LondonDer neue britische Regierungschef Boris Johnson erhält nicht viel Unterstützung aus dem Ausland, aber in diesem Fall tönt es mehr als freundlich. US-Präsident Donald Trump stellt Johnson ein “fantastisches und großes Handelsabkommen” in Aussicht, wie er jüngst bekräftigte. Die Vorbereitungen liefen mit hoher Geschwindigkeit, so Trump. Ein schneller britisch-amerikanischer Freihandelsvertrag nach dem möglicherweise Ende Oktober stattgefundenen No-Deal-Brexit wäre für Johnson ein Erfolg. Der Premier könnte demonstrieren, dass London Fortschritte erzielen kann, sobald es die von den Brexit-Hardlinern beschworenen Fesseln der EU abschüttelt.Dass die USA für Johnson Priorität genießen, ist wenig verwunderlich. Insgesamt wickelt das Vereinigte Königreich zwar rund die Hälfte seines Güterhandels mit der EU ab. Der Warenaustausch mit den USA umfasste vergangenes Jahr 96,8 Mrd. Pfund (105,9 Mrd. Euro) und war damit nur etwas über ein Fünftel so groß wie jener mit der EU. Allerdings sind die USA der mit Abstand größte Handelspartner außerhalb des europäischen Blocks und auf Länderebene das größte Ziel britischer Exporte – auch wenn die nur knapp ein Drittel des Wertes ausmachen, den die Briten insgesamt in die EU verkaufen. Hinzu kommt die mit viel Rhetorik aufgeladene besondere Beziehung beider Länder, die sich gern als herausragende Verbündete darstellen. Erheblicher ZeitdruckAllerdings bestehen erhebliche Fragen über den Zeitplan wie auch über den Inhalt eines Freihandelsabkommens. Offiziell darf Großbritannien keine Handelsgespräche führen, solange es noch Teil der EU ist. Und nur der ungeregelte Brexit, der Ende Oktober droht, gäbe Großbritannien gänzlich freie Hand. Jede schwächere Form des EU-Austritts, bei der das Land enger am EU-Binnenmarkt verbleibt, schränkt es ein: Die regulatorischen Standards der EU und der USA, vor allem im Bereich der Produkt- und Lebensmittelsicherheit, gelten als schwer vereinbar.Sollte der No-Deal-Brexit eintreten, stünde die britische Regierung unter erheblichem Zeitdruck, ein US-Abkommen aufs Gleis zu setzen. Normalerweise dauern solche Gespräche Jahre, manchmal Jahrzehnte. Als die wirtschaftlich schwächere Partei hat sie weniger Verhandlungsmacht. Obendrein versprach die Vorgängerregierung von Theresa May, bei einem chaotischen Brexit temporär mehr als 80 % aller Zölle zu erlassen, um Handelsverwerfungen zu verhindern. Damit gibt es wenig, was London in Verhandlungen anbieten kann. Großbritannien könnte zu erheblichen Zugeständnissen gezwungen sein.Neben der Senkung von Zöllen, wie sie für Freihandelsabkommen üblich sind, steht für Washington die Regulierung im Vordergrund. Es sei klar, dass die USA von den Briten eine Übernahme ihres Regulierungsverständnisses erwarten, schreiben die Handelsexperten des UK Trade Policy Observatory (UKTPO). Das sorgt besonders bei der Lebensmittelsicherheit für Diskussionen, etwa bei den berüchtigten “Chlor-Hühnchen”. Ein ähnlicher Streit herrscht um hormonbehandeltes Rindfleisch. Ferner wünscht Washington eine Öffnung des staatlichen britischen Gesundheitssystems NHS für amerikanische Arzneimittel. Doch solche Änderungen sind in Großbritannien höchst unpopulär, so das UKTPO. Ein schnell vereinbartes Handelsabkommen sei deshalb zwar vorstellbar, aber höchstwahrscheinlich weder weitgehend noch bedeutend.Angesichts der Hürden hat der amerikanische Nationale Sicherheitsberater John Bolton vor wenigen Tagen bei einem Besuch in London angeregt, man könne zunächst Miniabkommen abschließen, die nur einzelne Sektoren abdecken. Als Beispiel nannte er die Autoindustrie, den größten Posten britischer Exporte. Umstrittene Themen wie die Landwirtschaft würden zunächst ausgeklammert. Eine Senkung von Zöllen im Rahmen von Miniabkommen wäre aber nicht im Einklang mit den Regeln der Welthandelsorganisation (WTO), die ein umfangreiches, “substanzielles” Freihandelsabkommen voraussetzen.Doch auch in den USA droht Widerstand: Zippy Duvall, Chef der Lobbyorganisation American Farm Bureau, erklärte ein sektorales Handelsabkommen unter Ausschluss der Agrarwirtschaft bereits zum Verrat an amerikanischen Landwirten. Ein No-Deal-Brexit dürfte zudem zur Einführung von Grenzposten auf der irischen Insel führen und könnte den dortigen Friedensprozess gefährden. Die demokratische Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, erklärte das zu einem unüberwindbaren Hindernis für die Zustimmung des Kongresses zu einem Handelsabkommen.